Die Bilder-Edda

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Freitag 12. Februar 2016, 16:02

Der andere trifft Thors Kopf, dringt in sein Haupt. Thor stürzt nieder. Mjölnir
aber trifft Hrungnirs Schädel und zerschmettert ihn in kleine Stücke. Der Bergriese
fällt vorwärts, stürzt über Thor. Tot liegt er darnieder; sein Fuß liegt über Thors Hals.
13.jpg

Thialfi greift mutig den Lehmriesen an, der trotz seiner Größe
kein Gegner und schnell besiegt ist.
15.jpg

Danach eilt er zu Thor und will Hrungnirs Fuß von ihm nehmen.
Doch es gelingt ihm nicht, diese Last auch nur anzuheben.
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Der Kampf ist ohnehin entschieden. Die Jöten schauen fassungslos, aber sie hindern
die Asen nicht, als sie nun zu Thor eilen, um ihn von der Last zu befreien. Sie mühen
sich gemeinsam, doch vergeblich. Der Fuß des toten Riesen lässt sich nicht bewegen.
17.jpg
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Freitag 12. Februar 2016, 16:05

Jarnsaxa, Thors Nebenfau, kommt herbei. Sie führt den kleinen Magni mit sich.
Der Junge ist Thors Sohn, noch nicht einmal ein Mann.
18.jpg

Doch dem Kleinen gelingt, was die anderen nicht vermochten.
Er befreit den Vater von der Last.
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»Schmach und Schande über mich, Vater, dass ich so spät kam«, klagt er sich
an. »Ich hätte diesen Riesen mit bloßer Faust besiegt für dich.«
Thor erhebt sich. Lächelnd schaut er auf den Sohn, den er sehr liebt.
»Du wirst einst ein tüchtiger Mann sein«, lobt er ihn. »Zum Lohn für deine Hilfe
hier will ich dir Hrungnirs Pferd Gullfaxi geben, das nun mir als dem Sieger gehört.«
21.jpg

»Du hättest mir, deinem Vater, dieses prachtvolle Ross schenken sollen«, raunt Odin
dem Sohn wenig später zu. »Es ist übel, Gullfaxi dem Sohn einer Riesenfrau zu geben.«
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Doch Gullfaxi ist wirklich ein besonderes Tier. Magni freut sich über das Geschenk.
23.jpg

Thor leidet unter dem Schleifsteinstück in seinem Kopf. Die Schmerzen sind manchmal
fast unerträglich. Der Stein wird nicht mehr lose. Er bleibt, wenn auch weniger tief, nachdem
er durch Zauberlieder gelockert wurde, in Thors Kopf, wo er ihn für immer an diesen ge-
waltigen Zweikampf erinnern wird. Darum ist es seither jedes Menschen Pflicht, Schleif-
steine nicht zu werfen, denn dadurch rührt sich der Stein in Thors Haupt.
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Sonntag 21. Februar 2016, 09:44

Wegtam

Balder ist der Sanfteste, Freundlichste, Lichteste von allen Göttern. Alle lieben ihn.
Er ist wie das Licht selbst. Aber dieses Licht scheint nicht mehr. Balder plagen üble
Träume. Er verlässt seinen Palast Breidablik nicht mehr, nimmt an keinen Ver-
sammlungen mehr teil und vergeblich rufen die Leute nach seinem Schiedsspruch.
Diese Aufgabe übernimmt nun sein Sohn Forseti und er macht es wirklich gut.
Nanna, Balders Frau, weint Tag und Nacht um und mit ihm. Es ist, als haben
alle Schutzgeister Asgard verlassen.
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Die Götter treffen sich in der Halle und beraten. Forseti ist hier. Er sagt, dass
Balder den Schlaf als einen Kerker betrachtet, in dem ihn üble Träume martern.
Er findet keine Ruhe und keine Erholung mehr, er leidet wirklich. Sie rufen
Seherinnen, lassen sie Losstäbe werfen und Zeichen deuten. Jede von ihnen
sagt, ohne vom Urteil der andern zu wissen, stets dasselbe:
»Balder ist dem Tod verfallen.«
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Sie wollen das nicht glauben. Und vor allem wollen sie es verhindern. Sie fassen
den Entschluss, alle Wesen aller Welten um Frieden für Balder zu bitten und um
den Eid, ihm nicht zu schaden. Frigg nimmt die Schwüre in Empfang. Auch sie
leidet in dieser Zeit.
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Odin zweifelt am Erfolg des Unternehmens. Er fasst einen Plan. Man erzählt
sich von einer Wala, die, als sie noch lebte, alles sah und offenbaren konnte.
Wenn es ihm gelingt, sie aus dem Grab zu rufen, erfährt er vielleicht mehr
und findet womöglich einen gangbaren Weg der Hilfe. Auf Sleipnir reitet er
aus Asgard, um diese Wala zu finden.
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Eine goldene Brücke, die Gjallarbru, überspannt den Fluss Gjöll nahe des Helheim
umgebenden Gatters. Dort wacht Modgud, eine Riesin, die niemand nach Helheim
lässt, in dem noch Leben ist. Doch Odin lässt sie passieren. Am andern Ende der
Brücke befindet sich die hohe Halbhöhle Gnipahellir. Hier wohnt Garm, mehr Hund
denn Wolf. Er lässt niemanden je wieder aus Helheim heraus. Er stellt sich Odin in
den Weg, der ihn jedoch umgehen kann.
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Der Weg führt an Helgrind entlang, dem Zaun, der das ganze Reich umgibt. Er
mündet bei einem großen Gatter, durch das Odin aber nicht reiten will, denn dies
wäre der Weg nach Helheim hinein. Er reitet am Zaun entlang, entfernt sich vom
Tor. Durch den Zaun kann er so manchen Blick erhaschen. Er sieht Heljas große
Burg in der Ferne. Er sieht auch ein wenig von den Orten, an welchen die Ver-
storbenen weilen. Nicht alles ist düster und trostlos.
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Odin erinnert sich an an das Mädchen Helja. Sie hat eine dunkle und eine helle
Seite. In ihrem Reich verwirklicht sie diese Seiten auf fast vollkommene Art.
Beides hat hier Raum: das Lichte genauso wie das Finstere. Durch Helgrind
hindurch sieht er einen weiten Saal, beladene Tische. Die Bänke waren mit
Ringen bestreut. Die glänzenden Betten bedeckte Gold.
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Er ist am Ziel, als er im Osten Helheims Grabhügel erblickt. Es sind mehrere.
Einer wirkt ungewohnt gepflegt, sorgsam von Steinen eingefasst und mit Zweigen
bedeckt, die sicherlich nicht seit Urzeiten hier liegen.
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Sonntag 21. Februar 2016, 09:50

Er bereitet sich vor, stimmt sich ein. Odin singt Zauberlieder, die man Galder
nennt. Nach Norden schauend schlägt er die Runenstäbe, spricht mit macht-
voller Stimme die Beschwörungen, die nur wenige kennen. Die Wala wehrt sich.
Doch er lässt nicht nach, wird machtvoller, bewusster, gebietender. Das ist Ekstase,
was ihn ergreift. Sie macht die Welten durchlässiger. Er spürt ihr Nahen. Sie erhebt sich.
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»Wer wagt es, mich zu stören?«, ruft sie wie aus weiter Ferne. »So lange war ich tot.
Schnee beschneite mich, Regen beschlug mich, Tau beträufte mich. Es war gut. Wer
bist du, der du mir diesen beschwerlichen Gang aufzwingst?«
»Ich heiße Wegtam, bin Waltams Sohn«, gibt sich Odin rasch einen Namen.
Es wäre unklug, den wahren Namen zu nennen.
Ein Name gibt dem Gegenüber immer auch Gewalt über dessen Träger.
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Odin hat sie nun in seiner Gewalt. Er verlangt Auskunft. Er will wissen, für wen
in dem weiten Saal, den er durchs Helgitter sah, der Tisch so überreicht gedeckt
ist. Und die Wala antwortet ihm:
»Die Becher dort sind für Balder eingeschenkt. Für die Asen gibt es keine Hoffnung
mehr. Nachdem du mich zu Sprechen zwangst, will ich jetzt schweigen.«
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Odin hat diese Antwort befürchtet und erwartet.
»Schweige nicht!«, hält er sie zurück. »Ich will dich befragen, bis ich alles weiß.
Und ich will wissen, wer Balder ermorden wird und Odins Erben das Ende bringt.«
»Hödur bringt den Hochberühmten hierher. Er wird Balders Mörder sein. Und nun
nötige mich nicht weiter. Ich will jetzt schweigen.«
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»Schweig nicht!« Er hält den Zauber aufrecht, lässt sie nicht gehen. »Sage mir,
wer Rache üben wird an Hödur und Balders Mörder richten?«
Unwillig gibt die Wala Antwort:
»Im Westen lebt Rinda, die Odin den Sohn gebären wird, welcher sich einzig
der Aufgabe verschreibt, Balders Mörder zu richten. Und nun geh, gib mich
frei und lass mich schweigen.«
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»Eines will ich noch wissen«, zwingt er ihr das Verweilen auf. »Man sagt, dass
alle Welten um Balder weinen werden bis auf ein Weib, das keine Träne ver-
gießt. Wer ist diese Frau? Sag es mir, denn nicht eher wirst du wieder Ruhe finden.«
Stille. Sie ist noch da. Aber sie zögert. Jetzt durchschaut sie ihn.
»Du bist nicht Wegtam. Du hast mich getäuscht. Du bist Odin, der Allerschaffer.«
Da begreift er:
»Du bist keine Wala, kein wissendes Weib. Du bist vielmehr die Mutter dreier Thursen!«
Sie ist unbeeindruckt. Fast sanft, fast nachsichtig antwortet sie:
»Reite nun heim, Odin, und rühme dich noch ein wenig. Kein Mann kommt mich
mehr besuchen, bis los und ledig Loki der Bande wird. Dann bricht der Götter
Dämmerung verderbend herein.«
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Sie entschwindet. Er kann sie nicht mehr zwingen und halten. So viele Fragen
noch. Doch es niemand mehr da, der sie beantworten wird. Lange steht er am
Grabhügel, die Kälte ertragend, die von Niflheim herüberweht.
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Endlich aber besteigt er Sleipnir und tritt den Rückweg an. Er will fort aus
Helheim, heim nach Asgard. Noch hofft er, dass Balder leben wird.
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von playmore » Sonntag 21. Februar 2016, 12:32

Hallo Mara,

ich bin begeisterter Fan von Deiner Bilder-Edda und verfolge sie von Anfang an.
Weißt Du zufällig auch etwas zu/über die Andri Saga?
Ich suche schon lange danach,...ohne Erfolg.
Falls jemand etwas dazu sagen/schreiben kann...
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Sonntag 21. Februar 2016, 19:35

Tut mir leid, diese Sage kenne ich tatsächlich nicht.
Was erzählt sie denn?
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von playmore » Sonntag 21. Februar 2016, 21:23

Ich weiß nur soviel, dass es sich bei Andri um einen Zwerg handeln soll. :gruebel
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Der Archivar » Sonntag 21. Februar 2016, 21:30

Hallo Mara,

vielen Dank für deine Edda-Nacherzählung. Es bringt vieles, was verschüttet war, wieder hervor.

Deine wunderschönen Geschichten haben mich dazu gebracht, wieder einmal in meinem Bücherregal nach altnordischer Literatur zu kramen und ein wenig zu schmöckern.

LG :blume

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Donnerstag 3. März 2016, 12:30

Balder

Frigg ist weiterhin damit beschäftigt, allem und jedem den Eid abzunehmen,
Balder nicht zu schaden. Stein, Eisen, Feuer, jedes Tier, jede Pflanze, Alben,
Wanen, Asen, Zwerge, selbst Thursen schwören ihrem Wunsch entsprechend.
Alle Erze und Erden, alle Wasser, Gifte und Krankheiten leisten den Eid.

Balder scheint zu genesen. Er schläft wieder gut, zeigt sich den Asen. Nur
seine Arbeit als Richter und Streitschlichter nimmt er nicht mehr auf. Forseti
macht es zu gut; niemand möchte auf sein Wirken noch verzichten.

Frigg wirkt übernächtigt und müde und doch zugleich sehr befriedigt. Endlich ist
ihre Aufgabe getan. Alles, was ist, schwor, Balder zu schonen. Es ist wie ein großes
Aufatmen. Die befürchtete Gefahr ist vorüber. Thor freut sich mit dem lichten Bruder.
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Von einer Stunde zur nächsten gibt es wieder Lachen in Asgard. Allen ist nach
einem Fest zumute. Da wird nichts geplant oder vorbereitet. Eben noch speiste
man gemeinsam. Jetzt schieben die Leute die Tische beiseite. Jeder gratuliert
Balder, klopft ihm auf die Schultern, drückt seine Hände. Man wünscht ihm helle
Tage, freundliche Nornen, trinkt ihm zu. Irgendwer wirft spielerisch sein Trinkhorn
in Balders Rücken. Er spürt es nicht einmal.

Und dann sind die Asen wie kleine Kinder. In argloser Kurzweil stoßen und schlagen
sie nach Balder, bewerfen ihn mit allem, was ihnen vor die Hände kommt. Auch Thor
spielt mit. Alle albern und scherzen.
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Loki verlässt grübelnd den Saal. Er geht nach Fensalir, zu Friggs Palast, wo sie
sich etwas ausruht. Er gibt sich die Gestalt einer alten magd, als er bei ihr eintritt.
Er reicht ihr ein Horn, gefüllt mit goldfarbenem Met. Sie lächelt müde und dankbar.
»Weißt du, was die Asen in der Halle tun?«, fragt sie unvermittelt.
»Sie sind ausgelassen«, erwidert er bescheiden. »Sie werfen mit allerlei Dingen
nach dem edlen Balder. Doch nichts fügt ihm Schaden zu.«
»Das ist gut.« Lächelnd schließt sie die Augen. »Alle Dinge haben geschworen,
meinen Sohn zu schonen. Es kann ihm nichts mehr geschehen.«
»Alle Dinge?«
»Ja, alle Dinge und alle Wesen, selbst die große Mistel in der Esche beim Tor.
Nur östlich von Walhall«, fügt sie dann nachdenklich an, »da wächst noch eine
ganz junge Mistel. Sie ist zu klein, zu unschuldig. Sie wird schwören, wenn sie
älter ist und hartes Holz besitzt.«
Sie seufzt, wohl, weil ihr eben erst bewusst wird, dass es nie ein Ende haben
wird mit dem Sammeln der Eide. Neue Wesen, neue Dinge, neues Leben - alles
wird sie in die Pflicht nehmen müssen.
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Loki lässt sie allein, wandelt die Gestalt. Die kleine Mistel ist schnell gefunden.
Wie jung sie ist. Wie zart und weich. Er reißt sie aus. Nachdenklich dreht er
den kleinen Zweig zwischen den Fingern. Er lässt sich gänzlich in der Hand
verbergen, so winzig ist er noch. Er kann eigentlich niemandem weh tun.
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In der Halle spielen sie immer noch. Hödur steht ganz am Rand, mit gesenktem
Haupt. Seine Bewacher, die Odin nach dem Besuch bei der Wala ernannte, be-
teiligen sich an dem arglosen Spiel. Niemand hindert Loki, zu ihm zu treten.
»Warum machst du nicht mit?«, fragt er.
»Du weißt doch, dass ich blind bin. Und bewacht. Ich habe nicht einmal eine
Waffe; nichts, das ich auf ihn werfen könnte; selbst wenn ich ihn sähe.«
»Nimm den Zweig hier«, sagt Loki und drückt ihm das Mistelchen in die Hand.
»Balder steht zehn Schritte entfernt. Du musst heftig werfen, um die Entfernung
zu überwinden. Warte, ich zeige dir die Richtung.«
Hödur lächelt dankbar.
Und dann schleudert er den Zweig in die von Loki angedeutete Richtung.
07.jpg

Die kleine Mistel fliegt. Es ist kein wütender Wurf allein. Es ist wie der Schuss
von einem starken Bogen. Gleich einem Pfeil trifft der Zweig auf Balder. Und
durchbohrt ihn! Balder kann nicht einmal reagieren. Er sinkt tot zu Boden.
Stille! Niemand spricht ein Wort. Zu groß ist der Schock, zu gewaltig der
Schmerz, der jeden in der Halle jetzt ergreift.
»Was ist denn?«, fragt Hödur verwirrt.
Niemand antwortet ihm. Er wird nicht einmal beachtet. Keiner achtet jetzt auf
den anderen. Fassungslos stehen alle, von einem kalten Entsetzen gelähmt. Ein
schreckliches Grauen hält alle umklammert, sprachlos, wortlos, gedankenleer.
Endlich weinen die Asen. Odin steht wie versteinert. Seine Stimme besitzt
keinerlei Klang, als er befiehlt, Hödur in seine Gemächer und zu sperren und
nicht wieder herauszuführen. Er hält dabei den kleinen Mistelzweig in der Hand,
der wieder weich und zart und völlig ungefährlich ist.
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Frigg kommt gelaufen, stürzt bei Balder nieder. Sie hält den toten Sohn im
Arm, wiegt ihn. Sie weint wie Nanna. Mit Balder starb auch ein Teil von ihr
selbst; ihr Blick ist so tot wie ihr Sohn. Als sie spricht, sieht sie nur noch Balder an:
»Wer von euch Asen hier will für immer meine Gunst gewinnen? Wer will mir den
Dienst erweisen, den Helweg zu reiten und Balder in Helheim zu finden? Wer
diesen Mut hat, der soll Helja Lösegeld bieten für meinen Sohn, damit sie ihn
heimkehren lässt zu den Lebenden.«
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Hermod, Balders Bruder, umarmt die Mutter.
»Ich reite den Helweg«, verspricht er unter Tränen.
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Donnerstag 3. März 2016, 12:35

Sleipnir wird aufgesattelt und vorgeführt. Zum ersten Mal ist es
Hermod gestattet, dieses Pferd zu reiten. Und er zögert nicht, macht
sich unverzüglich auf den weiten Weg.
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Hringhorni wartet. Es ist das größte Schiff der Asen. Es gehört Balder. Und auf
ihm soll sein Leib die letzte Fahrt antreten. So viele sind gekommen, Balder
die letzte Ehre zu erweisen. Odin und Frigg stehen ganz vorne, die Walküren
in der Nähe. Freyr kam im Wagen, vor den er Gullinborsti, den Eber spannte.
Heimdall ritt auf Gulltopp herbei, Freyja nutzte ihren mit Katzen vorgespann-
ten Wagen. Zwerge sind zugegen. Bergriesen stehen dabei. Sogar einige
Hrimthursen, jene Riesen aus Eis und Frost, sind zugegen. Und alle schweigen.
14.jpg

Nur Nannas Weinen durchbricht die Stille. Und dann erstirbt ihr Schluchzen.
Lautlos sinkt sie zu Boden. Selbst die Wellen des Meeres schweigen. Nanna
lebt nicht mehr. Sie hat den Schmerz nicht ertragen, den Verlust nicht ausgehalten.
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Nun liegt sie neben ihrem geliebten Gemahl und wird ihn auf seiner letzten
Reise begleiten. Balders Hengst wird voll aufgesattelt auf das Schiff gebracht,
um mit seinem Herrn zu gehen.
17.jpg

Es gelingt aber nicht, das Schiff vom Strand ins Wasser zu stoßen. Nicht einmal
Thor in seiner Kraft kann es bewegen. Odin schickt um Hilfe nach Jötunheim und
tatsächlich kommt von dort die Riesin Hyrrokkin geritten. Ihr Tier ist ein pracht-
voller Wolf, gezäumt von einer Schlange. Die Jöten reiten aber gern auf Wölfen;
der Anblick wäre in Riesenheim nicht ungewöhnlich.
18.jpg

Vier kräftige Männer versuchen, den Wolf zu halten, nachdem die Riesin absprang.
Doch der Wolf schüttelt sie ab und muss schließlich niedergeworfen und gehalten
werden. Hyrrrokkin ist nicht begeistert von dieser Behandlung ihres Tieres.
18a.jpg

Doch sie hört sich Odins Bitte an, tritt dann nach vorn zum Bug des Schiffes und
löst es mit dem ersten Griff vom Land. Ihr geringschätziges Grinsen erweckt Thors
Zorn, der nach Mjölnir greift. Die Asen habe Mühe, ihn zu beruhigen.

Der Scheiterhaufen auf Hringhorni wartet. Das Feuer wird entzündet. Odin legt
Draupnir, den Ring, auf den Sohn. Dies ist seine letzte Gabe an ihn. Thor hebt
den Hammer, weiht mit ihm den Scheiterhaufen. Ein Zwerg mit Namen Lit läuft
ihm versehentlich vor die Füße. Wütend stößt Thor mit dem Fuß nach ihm,
schleudert ihn so versehentlich ins Feuer, wo er verbrennt.
19.jpg

Hell brennend fährt Hringhorni hinaus auf Meer. Die Tage der Trauer machen alle
Asen einsam. Jeder ergibt sich seinem Schmerz. Gespräche sind selten, Spiel unmöglich.
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Noch hoffen sie, dass Helja Lösegeld annehmen wird.
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Freitag 18. März 2016, 11:45

Hermod


Neun Tage reitet Hermod den Helweg, bis er die goldene Brücke
erreicht, wo die Wächterin Modgud ihn aufhält, da er nicht tot sei.
Sie warnt ihn, dass es keinen Rückweg gibt, wenn er das Heltor
durchquert, weist ihm aber endlich doch den Weg. Sleipnir schafft
es, mit einem großen Sprung dem Angriff Garms auszuweichen.
25.jpg

Das Heltor steht offen. Hermod könnte problemlos hinein. Doch er
denkt an Modguds Warnung, gürtet Sleipnir fester und hofft auf
die Stärke des Tieres.
26.jpg

Das Unglaubliche geschieht. Sleipnir schafft es, über des Heltor zu
springen. Hermod reitet weiter, hoffend, Helja zu finden.
27.jpg

Doch er findet eine lichte, goldgeschmückte Halle. Hier tafeln Balder
und Nanna. Sie freuen sich, Hermod so lebendig zu sehen.
Er bleibt über Nacht.
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Am andern Morgen kommt wirklich Helja zu ihnen. Hermod schildert
ihr, wie sehr alle trauern um Balders Verlust und dass Asgard bereit
sei, jeden Preis zu bezahlen, wenn sie ihn wieder gehen ließe. Helja
sagte, sie wolle erproben, ob Balder wirklich so geliebt gewesen sei.
»Wenn alle Dinge ihn beweinen, lebende wie tote, dann soll Balder
zurück zu den Asen fahren. Wenn auch nur ein Wesen widerspricht
und nicht weinen will, werde ich ihn bei mir halten, wie es mein Recht ist.«
Balder begleitet den Bruder aus der Halle. Er gibt ihm Draupnir, den
der Bruder Odin reichen soll. Nanna sendet Frigg einen Überwurf und
einen Ring der Göttin Fulla.
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Zwanzig Tage vergehen bis zu Hermods Heimkehr. Es ergeht nun Befehl,
dass Boten in alle Welten reiten mögen, um alle Dinge und Wesen aufzu-
fordern, Balder aus Helheim durch Tränen zu lösen.
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Noch besteht ja Hoffnung, dass Balder zurück nach Asgard kommen darf.
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Donnerstag 31. März 2016, 14:04

Rinda

Alle Welten weinen um Balder. Steine werden feucht, Erde durchnässt. Die
Himmel weinen und mit ihnen alle Wesen, die unter ihnen leben. Nach und
nach kehren die Boten Asgards heim. Gespannt erwartet man die Rückkehr
der Letzten. Als diese dann eintreffen, verrät ein einziger Blick in die ent-
täuschten Gesichter, wo hoffnungslos die Lage ist.
»Niemand verweigerte die Tränen«, berichten sie. »Auf dem Rückweg fanden
wir in einer Höhle beim Eisenwald eine Riesin. Sie sagte, sie heiße Thökk, was
Freude oder Lohn bedeute. Freudig wirkte sie jedenfalls nicht. Als wir sie baten,
Balder aus Helheim herauszuweinen, da sagte sie, dass ihr Auge trocken bliebe
über Balders Ende. Er habe ihr weder im Leben noch im Tod genutzt. Helja
möge ihn ruhig behalten. Wir baten und drohten. Es war zwecklos.«

Alle Hoffnung ist nun dahin. Die Trauer kehrt noch einmal ein nach Asgard.
Doch nun ist es wirklich Totentrauer. Es ist ein inneres Abschiednehmen vom
geliebten Sohn, Bruder, Vater, Freund. Niemand hofft mehr auf Rückkehr.
Am Ende wird der Alltag siegen und das Leben neue Kraft gewinnen.

Odin hat Asgard verlassen. Niemand weiß, wohin er ging.
Rindas Vater beherrscht ein weites Land. Zu ihm kam unerkannt Odin
und bot sich an, ihm als Kriegsherr zu dienen.
01.jpg

Odin führt das Reiterheer in die Schlacht, erringt einen gewaltigen
Sieg und wird mit Geschenken und Ehren überhäuft. Der Herrscher
nennt ihn nun seinen Freund. Wenig später schlägt Odin allein mit
Gungnir bewaffnet ein Herr in die Flucht, was große Verwunderung,
aber auch Bewunderung auslöst.
02.jpg

Erst jetzt, da er dem Reich unverzichtbar erscheint, gesteht er dem
Herrscher seine Liebe zu dessen Tochter Rinda. Der ermutigt ihn,
sich dem Mädchen zu nahen. Und so bittet Odin sie um einen Kuss.
Sie sieht aber nur einen alten Mann mit Schlapphut in ihm.
Ihre Antwort ist eine schallende Ohrfeige!
03.jpg

Odin verlässt das Land, kehrt später in anderer Verkleidung mit
geschwäztem Gesicht zurück. Nun nennt er sich Roster und behauptet,
ein kunstfertiger Schmied zu sein. Zum Beweis seiner Kunst legt er
wertvolle Stücke vor. Der Herrscher nimmt ihn in Dienst, stellt ihm
Gold zur Verfügung und weist ihn an, Schmuckstücke für die Frauen
zu fertigen. Da schmiedet er ein wahrhaft kostbares Armband und
einige wertvolle Ringe, die er Rinda schenkt. Als er sie zum Lohn
küssen will, muss er ihren Fausthieb hinnehmen.Ihr Vater schilt sie,
weil sie das Werben so heftig ablehnt. Doch Rinda bleibt stur. Sie sei
viel zu jung, um sich jetzt schon zu vermählen. Und Roster sei viel
zu alt, um ihr zu gefallen. Wieder zieht er sich zurück.
04.jpg

Odin kehrt ein drittes Mal zurück. Seine Zauberkraft genügt, ihm ein
gefälliges Äußeres zu verleihen, nun sieht sie ihn inmitten anderer
Krieger, wo er viel Aufsehen erregt. Nachdem auch Rinda ihn nun
ansieht, wähnt er sich am Ziel. Er versucht, sie zu küssen.
05.jpg

Doch das Mädchen stößt ihn so heftig zurück, dass er zu Boden fällt.
Diese Schmach ist zu viel für den, der über ganz Asgard herrscht. Odin
beherrscht Seidhr. Er kennt jeden Zauber, auch die Macht der Runen.
Da er sie durch Werben nicht gewinnen kann, greift er ein mit Runen
gestärktes Rindenstück und berührt sie damit. Dieses Holz allein vermag
nichts. Der Zauber jedoch wirkt und das Mädchen verfällt dem Wahnsinn.
06a.jpg
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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Donnerstag 31. März 2016, 14:09

Ein viertes Mal kehrt Odin in das Reich zurück. Nun trägt er Frauen-
kleider und nennt sich Wecha. Er gibt sich dienstfertig und nennt
sich heilkundig. Die Herrscherin nimmt ihn als Dienerin an, betreut
ihn mit der Pflege der kranken Tochter. Alle halten ihn für eine Frau,
weshalb er Rinda waschen und berühren kann.
07.JPG

Da nahm er den Zauber so weit von ihr, dass ihr Denken aufhellte.
Doch weiterhin hielt er sie abhängig von seiner Heilkunst. Sie litt
Schmerzen. Er versprach, dass es ein Heilmittel gäbe. Doch sei
dieser Trunk so scharf, dass sie es nur aushielte, wenn sie gebunden
sei. Der eigene Vater befahl Rinda auf ihr Lager, wo er sie festbinden
ließ und von ihr verlangte, alles geschehen zu lassen, was die heil-
kundige Dienerin tun wolle.
08.jpg

Odin schickte alle hinaus, was niemandes Misstrauen erregte, hielt man
ihn doch für eine Frau. Das Mädchen wand sich in Schmerzen und Fieber.
Aber ehe er sie heilte, vergewaltigte er sie und zeugte so den Wali.
09.jpg

Nun, da sie sein Kind in sich trägt, muss sie ihm folgen.
Er nimmt sie mit nach Asgard, wo sie endlich niederkommt und
einen Knaben gebärt, den man Wali nennt.
10.jpg

Der kleine Wali weiß, weshalb er geboren wurde. Wer immer es ihm
sagte, er muss das Kind tief beeindruckt haben. Denn Wali ist noch
ein Kind, als er Hödurs Gemächer aufsucht. So wird Wali zum Rächer
Balders, wie die Wala es Odin sagte.
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Doch weil auch ein Gott nicht alles tun darf, was ein Gott tun kann,
sitzt Asgard zu Gericht über Odin, der Rinda Gewalt antat und hierzu
sogar verachtenswerten Zauber benutzte. Odin wird verurteilt.
Er muss Asgard verlassen.
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Zehn Jahre währt seine Verbannung.
Danach kehrt er nach Asgard zurück. Die Sühne ist geleistet.
15b.JPG

Odin ist wieder Herr über Asgard und wird in allem erneut anerkannt.
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Dienstag 19. April 2016, 18:32

Ägir

Ägir ist ein Meeresriese, der bei der Insel Hlesey wohnt. Manches Mal
kommt er nach Asgard. Odin gab Feste für ihn und ließ Schwerter in
der Halle anbringen, die so glänzend waren, dass das Feuer in ihnen
so hell widerschien, dass keine weitere Beleuchtung nötig war.
Ägir führte oft lange und tiefe Gespräche mit Bragi.
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Eines Tages fordert Thor von Ägir ein Gegenfest. Wie der Riese in Asgard
bewirtet wurde, so soll dieser nun die Asen bewirten in seinem Land. Ägir
ist alles andere als begeistert und behauptet, er besitze keinen Braukessel,
der groß genug sei, um für so viele Gäste zu sieden.
02.JPG

»Wenn ihr mir einen Braukessel beschafft, der groß genug ist, will ich
gern das Fest ausrichten«, verspricht Ägir, ehe er geht.
Insgeheim freut er sich über diese Ausrede, denn er ist davon überzeugt,
dass es einen solchen Kessel nicht geben kann.
03.JPG

Tyr aber hat eine Idee.
»Ich wurde ja in Jötunheim erzogen«, erzählt er Thor. »Mein Ziehvater
Hymir ist zwar ein hundsgemeiner Kerl, aber er besitzt einen Kessel,
der größer ist als alle anderen. Wollen wir es wagen, den zu holen?«
Der Plan gefällt Thor natürlich.
Und so machen sich die beiden Götter auf den Weg zu Hymir.
04.JPG

Hymir ist nicht erfreut, den Ziehsohn in Begleitung Thors, den er
Menschenfreund nennt, zu sehen. Doch er bewirtet die Gäste. Drei
Stiere hat Hymir für sie geschlachtet und er war übel gelaunt, nach-
dem Thor zwei davon allein verzehrte. Tags darauf rudert Thor mit
Hymir hinaus aufs Meer, um dort eine Mahlzeit zu fangen.
Sie rudern weit hinaus; viel weiter, als Hymir sich jemals traute.
Hymir wirft die Angel aus.
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Thor rudert und bringt das Boot weit hinaus aufs Meer.
»Es ist weit genug«, murrt Hymir, dem es nicht gefällt,
kein Land mehr sehen zu können.
06.JPG

Hymir versteht sich auf den Fischfang.
Und er ist stark genug, die Beute dann auch ins Boot zu ziehen.
07.JPG

Zwei Wale haben sie jetzt gefangen; genug für ein reichhaltiges Mahl.
»Kehren wir zurück«, verlangt Hymir nun.
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Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Re: Die Bilder-Edda

Beitrag von Mara » Dienstag 19. April 2016, 18:39

Doch unbemerkt von ihm hat Thor den Kopf eines Stieres, der
Hymir gehört, am Seil befestigt und wirft diesen Köder aus. Ihm
steht der Sinn nach größerer Beute. Und wirklich schnappt gähnend
der Erdumschlinger, Jörmungandr, nach der vermeintlichen Beute.
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Thor zieht Jörmungandr vom Grund des Meeres zu sich herauf.
Die Wellen schäumen, die Erde zuckt zusammen. Mit einem Ruck
zieht Jörmungandr so heftig am Seil, dass Thor fällt. Er stemmt sich
gegen das Boot so heftig, dass er mit einem Bein den Boden durchbricht.
Das Wasser färbt sich grün. Hymir erbleicht. Seine Angst ist grenzenlos.
Nie zuvor sah er ein solches Ungeheuer. Thor schwingt den Mjölnir.
In diesem Augenblick durchschneidet Hymir das Angelseil.
Der Hammer trifft den sinkenden Jörmungandr am Kopf.
11.JPG

Thor ist wütend. Hymir bietet ihm versöhnlich an, wahlweise das
Boot oder die Beute zum Haus zu tragen, nachdem sie wieder an
Land sind. Zornig greift Thor nach den Fischen und schultert zu-
sätzlich noch das Boot und trägt alles allein. Beim Mahl streiten sie.
Im Wettkampf gewinnt Thor schließlich den Kessel, der so groß und
schwer ist, dass Tyr ihn nicht zu bewegen vermag.
Thor stülpt ihn sich über den Kopf und trägt ihn so fort.
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Nun hat Ägir den gewünschten Kessel und richtet das Fest aus. Er hat
die Halle gänzlich mit Gold geschmückt, in dessen Widerschein die Feuer
leuchten. Odin kommt nicht allein. Sif und Frigg sind bei ihm, auch Bragi
und Idun, Tyr, Njörd, Skadi, Widar, Freyr und Freyja. Freyr brachte zwei
Diener, Byggwir und Beyla, mit sich. Eine ganze Reihe weiterer Asen und
auch einige Alfen begleiten sie. Es ist Platz genug für alle. Die Tafel ist be-
reitet, die Tische gedeckt, die Bänke bestreut. Es sieht nach einem guten
Fest aus. Und das ist es zunächst aus. Es wird gegessen und getrunken.
Bragi singt Lieder, Skadi unterhält mit Jagdberichten. Es werden Geschichten
erzählt von ruhmreichen Kämpfen und Taten.
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Alles ändert sich, als ungeladen Loki auftaucht. Eisiges Schweigen empfängt ihn.
Erst, als er an die Blutsbrüderschaft mit Odin erinnert, bekommt er einen Platz
und einen Trunk. Er hebt den Kelch und trinkt auf aller Heil - außer auf Bragi,
den er Bänkedrücker nennt. Ein Wort gibt das andere. Loki gerät in Wut. Er
beleidigt alle Anwesenden. Längst sind ja die gemeinsamen Tage vergessen.
Odin will Loki gebunden wissen, denn die Wala sagte, das Ende der Welten
könne erst kommen, wenn dessen Bande reißen. Aber ein Festakt ist ein Ort
des Friedens. Hier darf nicht gekämpft werden.
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Jeder der anwesenden Asen wird von Loki verhöhnt - mit Ausnahme Widars.
Alle anderen werden beleidigt, doch auch immer von Freunden in Schutz
genommen. Es ist unmöglich, Loki nun zu beruhigen.
Das Fest ist empfindlich gestört.
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Irgendwer ruft nach Thor, der sich gerade auf Ostfahrt befindet.
Wie immer, so kommt er sofort heran, wenn er gerufen wird.
Und er diskutiert nicht wie die anderen mit Loki.
Mit einem Blick erfasst er die Situation.
»Schweig, unreiner Wicht«, fährt er Loki aufbrausend an, »sonst
wird Mjölnir dir den Kopf vom Leib hauen.«
»Schon gut, schon gut.« Loki hebt beschwichtigend die Hände.
»Ich habe gesagt, was ich auf dem Herzen hatte. Nun werde ich
gehen, denn ich zweifle nicht, dass du wirklich zuschlagen wirst.«
Er geht ich zum Tor. Dort wendet er sich noch einmal um. Ȁgir,
ich fürchte, dass du die Götter nie wieder bewirten wirst. Die
Flamme wird dein Haus und alles andere bald verzehren.«
24.jpg

Und dann beeilt er sich, möglichst rasch möglichst weit fort zu gelangen.
Er hat Ägir weder verflucht noch seine Halle angezündet. Aber er hat
vermutlich begriffen, dass der Weltenbrand, den Odin immer gefürchtet
hat, sich wohl nicht mehr verhindern lässt.
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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