Ischades Träume vom Westen

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Ischade
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Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 10:52

Die Geister von Christmastown
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Morgan Scrooge war unzufrieden. Die letzten Jahre hatte sein Companion diese Reise unternommen, während er selbst das Weihnachtsgeschäft gemacht hatte. All die feinen Damen, die sich für die Feste noch ein neues Kleid kaufen wollten. Und die Herren, die für ihre Gattin einen besonders vornehmen Hut als Geschenk suchten. Zu keiner anderen Zeit verdiente er so viel Geld wie um die Weihnachtsfeiertage. Und nun war sein Companion von der letzten Reise nicht wiedergekehrt und er musste seinem Angestellten diese Aufgabe übertragen. Obwohl er doch genau wusste, dass dieser zwar tüchtig war, aber doch ein viel zu gutes Herz hatte. Er würde es fertig bringen und einen der teuren Nerze an frierende Kinder verschenken. Aber es hätte noch viel weniger Sinn gehabt, ihn auf die Reise zur Ostküste zu schicken, um die neuen Kleider fürs nächste Jahr auszuwählen.
Scrooge (2).JPG
Ja, er hatte einige schöne Modelle bestellt. Die Damenwelt im Westen würde verrückt danach sein, die neuste Mode zu tragen, wie die Damen in Paris, die nicht jeden Tag in Staub und Dreck verbrachten. Sein Händler in Atlanta hatte einfach die beste Wahre und in den nächsten Monaten würde sie geliefert werden. Jetzt aber ging es darum, noch das Letzte des diesjährigen Weihnachtsgeschäftes zu retten. Die Postkutsche fuhr nicht über die Feiertage und so blieb Morgan Scrooge nur die Option, sich ein Pferd zu kaufen und selbst zu reiten.
Scrooge (3).JPG
Der Abend dämmerte bereits und Beaver City lag noch in weiter Ferne. Ihm blieb nichts anderes übrig, als irgendwo zu übernachten. Schon seit einiger Zeit zeichneten sich die Umrisse einer Ortschaft am Horizont ab. Er hoffte nur, dass das dortige Hotel nicht zu teuer war. Aber je näher er dem Ort kam, umso unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass es dort überhaupt ein Hotel gab. Es wirkte dunkel, verlassen, tot. Er ritt an den ersten zerfallenen Häusern vorbei. Ein leichter Windstoß rollte einen Dornbusch über die Straße. Eine Geisterstadt. Umso besser, dachte Morgan, so kostete ihn die Übernachtung gar nichts.
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Vor dem ehemaligen Saloon stoppte er sein Pferd, stieg ab und führte es um das etwas zerfallene Haus herum. Dahinter fand er tatsächlich etwas, das mal ein Stall gewesen war. Mit Resten von Heu und Stroh am Boden.
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Dort band er sein Pferd fest und machte sich nun daran, den verlassenen Saloon zu betreten. Die Dielen knirschten und knackten unter seinen Schritten. Die Stühle und Tische standen noch immer an ihren Plätzen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie mitzunehmen. Was für eine Verschwendung!
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Er blickte hinter den Tresen. Am Boden lagen noch ein paar zerbrochene Glasflaschen, aber nichts zu essen oder zu trinken. Einerseits lobte er den Geschäftsmann, der daran dachte, alles mitzunehmen, zum anderen fluchte er darüber dass er nun seinen eigenen Proviant verzehren musste.
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Während er so dasaß, der Wind das kaputte Fenster hin und her schaukelte, wobei es leise quietschte, wirbelte es auf einmal den Staub vom Boden auf und eine Tür im oberen Stock schlug laut zu. Erschrocken drehte Morgan sich um. Aber er sah nichts. Als er sich wieder zurückdrehte, saß jemand an seinem Tisch. Entsetzt fuhr er zusammen.
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„Na wer sagt’s denn? Morgan Scrooge!“ Die Stimme des Fremden klang hohl und wie von weit entfernt. Sein Gesicht konnte Morgan nicht sehen, da es im Schatten seiner Hutkrempe liegt.
„Wer bist Du?“, fragte der Kaufmann vorsichtig.
„Scott Marley, Du erinnerst Dich an mich?“ sagte der Fremde.
„Oh mein Gott!“, entfuhr es Morgan und entgegen seiner Art bekreuzigte er sich.
„Du bist doch tot“. Wie gebannt saß der da in die Lehne des Stuhls gedrückt, dass er fürchten musste, sie würde einfach nach hinten wegbrechen.
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Missouri Ben
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Missouri Ben » Donnerstag 10. Dezember 2015, 10:55

:hop :hop :hop :hop

ja wie cooooool .... super

und ich werd irgendwann wahnsinnig .... wie macht ihr diesen tollen Bilder ?????????
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Ischade
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 10:56

„In der Tat, Morgan. Ich bin tot! Aber noch lange nicht so tot wie Du!“ Die Hand des Mannes langte über den Tisch und griff Morgan Scrooge am Kragen. Eine knochige Hand, die roch wie verwestes Fleisch. Dabei rutschte sein Hut nach hinten und er konnte Scotts Gesicht sehen. Es hatte keine Augen mehr und um die leeren Höhlen herum waren die Hackspuren von Krähen zu sehen. Das Fleisch hing herunter und man sah die Zahnreihen mit den wenigen verbliebenen Zähnen bis zum Ende des Unterkiefers. Während er sprach, konnte Morgan die Würmer durch seine Zunge kriechen sehen und er versuchte, sich abzuwenden.
Scrooge (9).JPG
„Genau vor einem Jahr habe ich hier übernachtet, mein Freund. Und habe diesen Ort nie wieder verlassen. Weil es genau der Ort ist an den ich gehöre. Genau wie Du und alle da draußen, deren Herz so tot ist wie die Stadt hier.“ Die leeren Augen starrten ihn durchdringend an.
„Meinem Herzen geht es gut! Und ich gedenke noch sehr lange zu leben.“ Scrooge riss sich los und stand von seinem Platz auf. Der Tote ebenso.
„Das denkst auch nur Du! Drei Geister werden Dich in dieser Nacht heimsuchen. Und Dein Herz prüfen ob es würdig ist zu schlagen.“
Morgan Scrooge nahm einen großen Schluck aus seinem Schlauch. Als er absetzte und sich umsah, war Scott Marley verschwunden.
Scrooge (10).JPG
„Langsam drehe ich durch.“ Sagte er zu sich selbst. Dann ging er die knarrende Treppe nach oben. Die Betten hinter den Türen hatte man auch einfach hiergelassen, sogar die Bettwäsche.
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Morgan schüttelte den Kopf, legte den Hut und den Gehrock ab und legte sich vorsichtig auf das Bett. Es knarrte, aber schien noch stabil zu sein. Langsam schloss er die Augen und fiel in tiefen Schlaf.
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Ein lautes Krachen und ein unsanfter Aufschlag auf den Boden als sein Bett brach, weckten ihn unsanft auf. Neben seinem Bett stand ein alter Mann. In seiner einen Hand hielt er eine alte Grubenlampe und in der anderen eine Spitzhacke. Er lächelte ohne jeden Zahn.
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„Aufstehen Jungchen“, lispelte der Alte. Was für eine Unverschämtheit, dachte sich Scrooge. Aber angesichts der Spitzhacke stand er lieber auf. Und mit einem Lauten krachen sauste die Spitze der Hacke dorthin nieder, wo eben noch sein Kopf gelegen hatte. Morgan schluckte. Der Alte musste wahnsinnig sein.
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„Los komm mit, Jungchen!“, grinste er. Morgan überlegte: Der Alte mochte zwar eine Hacke haben, aber er war einen halben Kopf kleiner als er und schon alt. Mit einer geschickten Handbewegung versuchte er nach der Hacke zu greifen, um sie ihm abzunehmen. Und griff ins Leere. Einfach durch den Arm des Alten hindurch.
„Mach das nie wieder.“ Fauchte ihn dieser an, während die Hacke erneut auf das Bett niederging und Holz nach allen Seiten wegsplitterte. Er dachte wieder an Marley. Drei Geister, hatte er gesagt, würden herkommen. Naja, das musste dann wohl der erste sein. Ein alter Goldgräber – und vor dem sollte er sich fürchten?
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Gemeinsam verließen sie den Saloon und gingen ein Stück die Straßen hinunter.
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Ischade
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 11:01

Zu seiner Verwunderung sah er nun in dem einen Haus Licht brennen. Er hätte schwören können, dass es vorhin, als er daran vorbeiritt, genauso verlassen war wie all die anderen. Genau auf dieses Haus ging der alte Goldgräber zu und schubste ihn mit der Hacke in die Richtung. Bis hin vor das helle Fenster.
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„Sieh hinein Jungchen.“, sagte der Alte. Morgan war sowieso neugierig und warf einen Blick durch das schmutzige Glas. Drinnen sah er eine eher ärmliche Stube. Auf dem Tisch brannte eine Kerze und auf einem Stuhl saß eine junge Frau. Eine Indianerin. Morgan Scrooge fühlte sein Herz wie mit der Spitzhacke durchbohrt. Aber der Geist des Alten stand nur da und grinste ihn zahnlos an. Er sah wieder hinein. Vor langer, langer Zeit hatte er die Frau einmal gekannt. Ihr Name war Fallendes Blatt. Und sie war seine Frau gewesen.
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Er sah sie an und fühlte eine Sehnsucht in sich, die er lange nicht mehr gespürt hatte. Neben ihr tauchte ein Mann auf. Und Morgan Scrooge erkannte, dass er selbst es war. Wie er aussah vor so langer Zeit. Ein junger Mann. Dumm, unerfahren… und arm! Er sah wie sein jüngeres selbst Fallendes Blatt umarmte und sie seine Umarmung erwiderte. Er reichte ihr eine kleine Jacke aus Fuchsfell. Er erinnerte sich wieder daran, wie lange er damals Füchse fangen musste um diese Jacke für sie zu nähen. Und sie hatte nur gelacht und ihm gesagt, dass das doch die Arbeit einer Frau wäre. Der Junge Morgen Scrooge stand im Zimmer und lachte. Und der alte stand vor dem Fenster und er spürte, wie eine Träne über seine Wangen glitt.
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„Ja, es ist Weihnachten, mein Jungchen“, krächzte der Alte. „Und schau nur, da war auch Weihnachten.“ Sagte er und zeigte wieder auf das Fenster. Die Stube war noch dieselbe, aber die Einrichtung war besser. Ja, er hatte hart gearbeitet, um all das zu kaufen. Auch Fallendes Blatt sitzt wieder am Tisch. In einem sündhaft teuren Kleid. Er hatte es damals aus Paris kommen lassen.
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Aber er war dieses Mal nicht im Raum. Morgan erinnerte sich. Er war noch einmal unterwegs gewesen. Wegen einem Tausch mit den Indianern. Er hatte schon lange aufgehört, die Tiere selbst zu fangen. Und von den Indianern bekam er die Felle billiger als von den hiesigen Trappern. Er hatte ihr versprochen gehabt, bald zurück zu sein. Aber die Verhandlungen hatten länger gedauert. Warum nur? Er schaute gebannt auf die Indianerin! Auf einmal sprang die Tür auf. Auch wenn draußen niemand gewesen war, tauchten nun in dem Raum 5 Männer auf. Arme Fallensteller. Er kannte sie. Ab und zu hatte er ihnen Felle abgekauft.
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„Wo ist Dein reicher Mann?“ fragten sie sie. Aber sie antwortete nicht. Dann beschimpften sie sie, gaben den Indianern Schuld an ihren schlechten Geschäften und begannen, auf sie einzuschlagen. Er hörte sie nach ihm rufen. Jetzt hörte er sie. Damals hatte er sie nicht gehört. Als er endlich nach Hause gekommen war, fand er sie tot am Boden liegend.
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Weinend rannte der durch die offene Tür in das Haus. Aber als er über die Schwelle schritt, war der Raum leer und verlassen. Niemand war da. Nicht einmal mehr der Geist des Goldgräbers.
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Langsam ging er einen Schritt nach draußen. Alles war still, und tot und verlassen. Über ihm trieb der Wind einige Wolkenfetzen vor sich her über die Sterne. Eigentlich eine wunderschöne Nacht und nicht der richtige Moment um über die Vergangenheit nachzudenken. Was vorbei ist, ist vorbei. Also ging er zurück zum Saloon. Schließlich waren seine Sachen noch dort. Die müsste er holen, bevor er diesen Ort doch lieber verlassen würde.
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 11:05

Kurz bevor er den Saloon erreichte, sah er drinnen ein Licht. Jemand hatte drinnen Lichter entzündet. Je näher er dem Eingang kam, umso mehr. Als er die Pendeltür erreichte und eintrat, zeigte sich ihm ein Bild, das er nicht erwartet hatte. Alles war festlich geschmückt, die Regale hinter der Bar waren wieder voller glitzernder Flaschen und ein dicker Wirt wischte emsig die Theke.
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„Ich hab schon auf Dich gewartet“, begrüßte der Wirt ihn lächelnd. „Whisky?“ Natürlich kam es ihm seltsam vor. Aber nach der Begegnung mit dem Goldgräber, schien ihm die Aussicht auf einen Whisky sehr viel verlockender, als es ihm Angst machte, diesen verlassenen Raum nun mit Lichtern geschmückt vorzufinden. Er setzte sich auf einen der Hocker und leerte das Glas in einem Zug.
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„Seid ihr der zweite Geist?“, erkundigte er sich mit dem Mut, den ihm der Whisky gegeben hatte.
„Ich bin der Geist der gegenwärtigen Weihnacht.“ Er schenkte nach. „Seht aus dem Fenster!“
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Morgan Scrooge trank aus, stand auf und ging durch den Raum. Er sah hinaus. Aber vor dem Fenster war nicht die verlassene Straße der Geisterstadt. Es war die belebte erleuchtete Straße Beaver Citys. Die Hauseinhänge waren geschmückt und auf der Straße waren Menschen auf dem Weg von der Kirche nach Hause. Sie lachten und unterhielten sich. Hier und da erkannte er ein Kleid, einen Hut oder einen Pelz, der bei ihm gekauft worden war. Er stand da und lächelte stolz nach draußen.
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Und hinüber zum dem Laden auf der anderen Straßenseite. Es war in der Tat sein eigener Laden. Ein wunderschönes, verschnörkeltes Schild hing über der Tür. Ohne jeden weihnachtlichen Schmuck. Und was ihn noch stolzer machte war, dass immer noch Licht brannte. Sein Angestellter arbeitete also noch, wie er es ihm befohlen hatte. Eine Frau mit einem kleinen Kind im Arm kam die Straße herauf gelaufen. Sie sah ärmlich aus und er wunderte sich, dass sie zu der Tür seines Ladens ging. Sie könnte sich unmöglich eines seiner Kleidungsstücke leisten.
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Aber sie öffnete die Tür und ging hinein. Verärgert sah er ihr nach. Kurze Zeit danach sah er sie wieder herauskommen und mit ihr Bob Watson, sein Angestellter. Er stand vor der Tür und redete auf sie ein, während sie verzweifelt aussah und ihn anzuschreien schien. Leider konnte Morgen nicht verstehen, was sie sagten.
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Dann ließ Bob sie stehen und ging wieder hinein. Die Frau stand noch eine Minute weinend vor der Tür und drückte das Kind an sich. Dann ging sie weiter. Nur um die nächste Häuserecke. Dort setzte sie sich hin, hüllte ihr Kind in ihr Tuch und wiegte es.
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„Wenn der gute Bob nur wüsste, dass seine Frau auf ihn wartet. Dann würde er vielleicht den Laden schließen, bevor sie erfriert?“ sagte der Wirt neben ihm.
„Seine Frau wird sterben?“ Er sah sich um zum Wirt. Auch er wirkte geisterhaft mit fahlem eingefallenem Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass er ein Kind hat.“
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„Hätte es Dich denn interessiert?“ Der Wirt wischte über einen der Tische neben sich.
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 11:09

Wenn Morgan ehrlich war, dann war die Antwort: Nein. Aber wenn sie jetzt erfrieren würde, würde es Bob sicher verändern und er konnte nicht wissen wie. Vielleicht würde er sich endlich mehr auf seine Arbeit konzentrieren. Aber nicht alle Männer waren so stark wie er. Manche zerbrachen auch. Vielleicht wäre es auch besser, wenn er nun endlich den Laden wieder übernehmen würde. Bob war nach dem Streit mit seiner Frau sicher nicht bei der Sache. Nachher vergraulte er ihm noch seine Kunden. Und ohne noch weiter darüber nachzudenken, ging er durch die Pendeltür nach draußen. Aber nichts! Draußen war nichts außer der Nacht, den zerfallenen, verlassenen Häusern und der leeren, staubigen Straße. Er blickte zurück und auch der Saloon war wieder in dem Zustand, in dem er ihn beim ersten Mal vorgefunden hatte.
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Noch einmal atmete er tief durch. Was ging ihn Bobs Frau an? Er war müde und es war endlich Zeit zu schlafen. Vor allem nach den beiden Whiskys erschien es ihm doch klüger, einfach morgen weiterzureiten. Aber gerade als er sich umdrehen wollte, hörte er eine Grabesstimme hinter sich.
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„Bleib stehen, Du Wurm!“ Morgan traute sich kaum, sich umzudrehen. Ganz langsam blickte er über seine Schulter. Mitten auf der staubigen Straße stand ein Mann. Ein großer hagerer Kerl, mit einem zerknitterten schiefen Zylinder auf dem Kopf. Sein schwarzer Staubmantel flatterte im Wind. Das Gesicht war grau und faltig und um seine Hüften lag ein Revolvergürtel. Morgan schluckte.
„Stell Dich Deiner Zukunft!“, sagte der Mann wieder. Langsam drehte Morgan sich um. Der Geist zog mit der linken Hand einen seiner beiden Revolver und warf ihn vor Morgan Scrooge in den Staub.
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„Glaubst Du, dass Dein Geld Dir irgendetwas nutzt, wenn Du tot im Dreck liegst?“ Fragte der Geist des Schützen.
„Du bist der Geist der zukünftigen Weihnacht, nehme ich an.“ Trotz aller Entschlossenheit lag ein Zittern in seiner Stimme. Er versuchte den Revolver vor sich zu ignorieren, denn er wusste, dass er keine Chance hatte.
„Glaubst Du, Dein Geld nutzt Dir irgendetwas, wenn Deine Seele für immer verdammt ist?“, fragte der Geist erneut.
„Es nutzt mir, solange ich lebe“, antwortet Morgan dieses Mal. „Willst Du mir nicht die Zukunft zeigen?“
Der Geist des Revolverhelden grinste. Morgan sah seine Zähne im Mondlicht aufblitzen.
„In Deiner Zukunft…“ begann er. Dann zog er seinen verbliebenen Revolver… und schoss! „… gibt es nur den Tod!“
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Ein stechender Schmerz zerriss seine Brust und er fühlte sich fallen. Danach den harten Aufprall auf den Boden. Sein Seidenhemd fühlte sich nass an und das Atmen fiel ihm schwerer. Er sah den Himmel über sich. Die Wolken waren verschwunden und nur noch die Sterne leuchteten herab. Genauso kalt und herzlos, wie er durch das Fenster des Saloon gesehen hatte. Dann beugte sich der Geist über ihn. Durch seine verfaulten Augen schlängelten sich Würmer und wieder grinste er mit geschliffenen Zähnen.
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„Du bist tot und niemand wird Dich vermissen. Und niemand braucht Dich. Bob wird Deinen Laden übernehmen und er wird bald wieder heiraten. Der Laden wird kaum so groß bleiben, wie er es jetzt ist, denn das meiste Deines Geldes werden sie in ein Armenhaus stecken, damit niemand mehr erfrieren muss. Aber seine Frau hat nicht nur ein gutes Herz, sondern auch ein Händchen fürs Geschäftliche. Sie werden Dich einfach vergessen, wenn sie nächstes Jahr beisammen sitzen und Weihnachten feiern. Und Du wirst für immer hier bleiben!“ Dann wurde es um ihn dunkel. Still und er fühlte sich von aller Welt verlassen.
Als er die Augen wieder öffnete, war es immer noch Nacht, immer noch lag er auf der Straße der Geisterstadt. Als er aufstand und sich umsah, lag sein toter Körper noch immer am Boden. Um ihn herum war Weihnachten. In jedem der Häuser brannte Licht und in jedem schlummerte die Erinnerung eines anderen Mannes. Als er in den Saloon ging, war er wieder hell erleuchtet. Nur dieses Mal saßen Männer an den Tischen. Sie tranken nicht, aßen nicht, spielten nicht. Sie saßen nur da und starrten aus dem Fenster. Nur der Wirt lächelte und zündete eine weitere Kerze an. „Willkommen in Chrismastown. Setz Dich doch.“
Scrooge (38).JPG
Ende
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Ischade
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 11:14

Missouri Ben hat geschrieben::hop :hop :hop :hop

ja wie cooooool .... super

und ich werd irgendwann wahnsinnig .... wie macht ihr diesen tollen Bilder ?????????
Erstmal Danke... Du hattes Dir ja gewünscht, meine Western-Weihnachts-Geschichte zu lesen. :kavalier

Die Bilder... ach herje... etwas Übung würde ich sagen und mehrere Bildbearbeitungsprogramme. Ich nutze meistens "Corel Photo Paint" und "paint.net" wenn man es kombiniert, kann man interessante Effekte hinbekommen (wie hier eben den Traum-Effekt) und man kann etwas über die Tatsache hinwegteuschen, das unsere kleine Westernstadt hier nicht in Ansätzen so groß und toll ist, wie viele andere hier... :oops
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Missouri Ben
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Missouri Ben » Donnerstag 10. Dezember 2015, 11:17

wow - eine komplette geschichte an einem stück ..... suuuuper schön :great :great :great

wundervolle adaption von charles dickens weihnachtsgeschichte - hast du super gemacht
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Domi Silvercolt
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Domi Silvercolt » Donnerstag 10. Dezember 2015, 12:36

Echt tolle Stimmung auf den Bildern.
"Traumhaft" sozusagen. :wink
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Riko
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Riko » Donnerstag 10. Dezember 2015, 13:18

Gänsehaut pur... Riesenkompliment! :zehn
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Ischade
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 15:09

Danke!!!! :knicks

Na, ein oder zwei Western-Geschichten liegen hier noch rum... vielleicht bebildere ich die ja bei Gelegenheit auch noch...
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Mara
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Mara » Donnerstag 10. Dezember 2015, 15:59

Wirklich tolle Geschichte.
Der Schluss ist ja mal endgenial :great :respekt :great
Man hört nicht auf, zu spielen, weil man alt wird - man wird alt, weil man aufhört, zu spielen.

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Ischade
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 16:15

:dank Danke Mara.
… was das Ende betrifft: Ich hab bei Dickens nie wirklich verstanden, warum Scrooge nur durch die offensichtliche Tatsache, dass er einmal sterben wird, plötzlich zu einem guten Menschen werden sollte. Nun, da es im Ursprung eine eher christliche Geschichte ist, kann ich nur sagen, das selbst Jesus der Meinung war, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ginge, als dass ein reicher Mann in den Himmel käme. Und in dem Fall gebe ich ihm ausnahmsweise mal Recht.
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John Wayne
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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von John Wayne » Donnerstag 10. Dezember 2015, 17:50

Ischade kann auch Western :hop

Bin schwer beeindruckt. Tolle Version der Weihnachtsgeschichte :great ! Bin total baff!

Die Geschichte war soooo spannnend zu lesen und toll geschrieben. :zehn

Liebe Grüße John Wayne

Mach ruhig weiter so :bang1
Das Leben ist hart,
aber es ist härter wenn Du dumm bist!

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Re: Ischades Träume vom Westen

Beitrag von Ischade » Donnerstag 10. Dezember 2015, 18:11

Na wenn John Wayne das sagt... :grinsen Ich dank Dir!
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