Liebes Tagebuch!
Ich habe gestern viel über Wildbienen gelernt. So z.B., dass
es rund 560 Arten von ihnen bei uns gibt. Und dass viele
dieser Arten stark gefährdet sind. Majus ist noch in meinem
Garten. Ich fahre kurz einkaufen – aber heute sehe ich die Stadt
irgendwie mit seinen Augen. Unzählige Balkone. Und alle nackt.
Keine Blüten. Nichts. Das ist geradezu deprimierend.
Es ist zwar kühler geworden, aber in der Sonne ist es doch noch
angenehm. Also ab in den Garten, wo auch die Kikis spielen,
meine Feen rumschwirren und Majus die Blüten beglückt. Ich
habe da so eine Idee. Insektenbuch, Kaffee und Laptop –
mehr brauche ich gerade nicht.
Das Tippen geht flott heute. Natürlich schreibe ich jetzt kein Buch
über Bienen. Das wäre ziemlich anmaßend. Außerdem erwarten
die Leute von mir Fantasy und keine naturwissenschaftlichen Werke.
Zwei Kannen Kaffee später finde ich langsam den Schluss, den
ich suche. Es ist die Geschichte eines Bienenkönigs, der um sein
sterbendes Volk trauert – und die Geschichte der Menschheit, die
bald darauf hungert, weil ihre Nährpflanzen nicht mehr bestäubt
werden. Aber auch die Geschichte großer Konzerne, die spezialisierte
Samen züchten und den Dünger herstellen, den diese Samen
brauchen – und der alle Beipflanzen abtötet.
Jetzt muss ich meinen Agenten überzeugen.
»Hallo, Olaf, ich habe hier eine Kurzgeschichte, von der ich möchte,
dass sie möglichst schnell in möglichst vielen Zeitschriften erscheint.«
»Hey, du weißt doch, dass ich mich mehr auf Verlage und Romane
verstehe. Für Liebesschmöker brauchst du wen anderes.«
»Es geht um, äh, Ökologie oder so was. Komm schon,
es ist ein neuer Markt für mich.«
Ich schildere ihm kurz, worum es geht.
»Schick mal her«, gibt er schließlich halb nach.
Ich maile die Datei. Er überfliegt sie.
»Könnte für Gartenzeitschriften interessant sein«, überlegt er
dann. »Aber die bezahlen schlecht.«
»Das ist in dem Fall egal.«
»Na ja, könnte dir eine neue Leserklientel bringen. Okay,
Mara, ich mach’s. Aber ich will auch bald mal wieder ein
richtiges Manuskript von dir.«
»Ist schon in Arbeit«, verspreche ich lachend und lege auf.
Majus ist ganz in meiner Nähe.
»Hey, du, Bienenkönig«, schmunzle ich heiter, »morgen bist du berühmt.«
»Was meinst du?«
»Dass bald sehr viele Menschen verstehen werden, wie wichtig
dein Volk für sie ist – und dass die dann hoffentlich Blumen pflanzen.«
Genug gearbeitet. Ich finde, ich habe heute viel geleistet und mir
eine gemütliche Auszeit verdient. Tiger ist der gleichen Ansicht,
denn er legt sich schnurrend auf mich, was bedeutet, dass ich
mich jetzt nicht mehr bewegen darf.
Wie ich Olaf kenne, wird es nicht lange dauern, bis die Geschichte erscheint.
Obwohl – ich kenne ihn ja eigentlich gar nicht – nur von Mail und Telefon.
Aber bisher war er immer gut in seinem Job als Literaturagent.