Fredeswinds Märchenschatztruhe

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Die zwei Brüder (Brüder Grimm)

Beitrag von Fredeswind » Montag 8. Juli 2024, 08:53

Und nun hatten die Jäger zwei Löwen, zwei Bären, zwei Wölfe, zwei Füchse und zwei Hasen, die ihnen nachzogen und dienten. Indessen war ihr Hunger damit nicht gestillt worden, da sprachen sie zu den Füchsen: „Hört, ihr Schleicher, schafft uns etwas zu essen, ihr seid ja listig und verschlagen.“ Sie antworteten: „Nicht weit von hier liegt ein Dorf, wo wir schon manches Huhn geholt haben; den Weg dahin wollen wir euch zeigen.“ Da gingen sie ins Dorf, kauften sich etwas zu essen und ließen auch ihren Tieren Futter geben, und zogen dann weiter.

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Die Füchse aber wussten guten Bescheid in der Gegend, wo die Hühnerhöfe waren, und konnten die Jäger überall zurechtweisen. Nun zogen sie eine Weile herum. Sie konnten aber keinen Dienst finden, wo sie zusammengeblieben wären. Da sprachen sie: „Es geht nicht anders, wir müssen uns trennen.“ Sie teilten die Tiere, so dass jeder einen Löwen, einen Bären, einen Wolf, einen Fuchs und einen Hasen bekam.

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Dann nahmen sie Abschied, versprachen sich brüderliche Liebe bis in den Tod und stießen das Messer, das ihnen ihr Pflegevater mitgegeben, in einen Baum; worauf der eine nach Osten, der andere nach Westen zog.

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Beitrag von Fredeswind » Dienstag 9. Juli 2024, 15:36

Der jüngste aber kam mit seinen Tieren in eine Stadt, die war ganz mit schwarzem Flor überzogen. Er ging in ein Wirtshaus und fragte den Wirt, ob er nicht seine Tiere beherbergen könnte. Der Wirt gab ihnen einen Stall, wo in der Wand ein Loch war: da kroch der Hase hinaus und holte sich ein Kohlhaupt, und der Fuchs holte sich ein Huhn, und als er das gefressen hatte, auch den Hahn dazu.

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Der Wolf aber, der Bär und der Löwe, weil sie zu groß waren, konnten nicht hinaus. Da ließ sie der Wirt hinbringen, wo eben eine Kuh auf dem Rasen lag, dass sie sich satt fraßen. Und als der Jäger für seine Tiere gesorgt hatte, fragte er erst den Wirt, warum die Stadt so mit Trauerflor ausgehängt wäre.

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Sprach der Wirt: „Weil morgen unseres Königs einzige Tochter sterben wird.“ Fragte der Jäger: „Ist sie sterbenskrank?“ „Nein“, antwortete der Wirt, „sie ist frisch und gesund, aber sie muss doch sterben.“ „Wie geht das zu?“, fragte der Jäger. „Draußen vor der Stadt ist ein hoher Berg, darauf wohnt ein Drache, der muss alle Jahr eine reine Jungfrau haben, sonst verwüstet er das ganze Land. Nun sind schon alle Jungfrauen hingegeben, und ist niemand mehr übrig als die Königstochter, dennoch ist keine Gnade, sie muss ihm überliefert werden; und das soll morgen geschehen.“

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Sprach der Jäger: „Warum wird der Drache nicht getötet?“ „Ach“, antwortete der Wirt, „so viele Ritter haben's versucht, aber allesamt ihr Leben eingebüßt; der König hat dem, der den Drachen besiegt, seine Tochter versprochen, und er soll auch nach seinem Tode das Reich erben.“ Der Jäger sagte dazu weiter nichts, aber am andern Morgen nahm er seine Tiere und stieg mit ihnen auf den Drachenberg.

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Beitrag von Fredeswind » Dienstag 9. Juli 2024, 15:44

Da stand oben eine kleine Kirche, und auf dem Altar standen drei gefüllte Becher, und dabei war die Schrift „Wer die Becher austrinkt, wird der stärkste Mann auf Erden, und wird das Schwert führen, das vor der Türschwelle vergraben liegt.“ Der Jäger trank da nicht, ging hinaus und suchte das Schwert in der Erde, vermochte aber nicht, es von der Stelle zu bewegen.

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Da ging er hin und trank die Becher aus und war nun stark genug, das Schwert aufzunehmen, und seine Hand konnte es ganz leicht führen. Als die Stunde kam, wo die Jungfrau dem Drachen sollte ausgeliefert werden, begleitete sie der König, der Marschall und die Hofleute hinaus.

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Sie sah von weitem den Jäger oben auf dem Drachenberg und meinte, der Drache stände da und erwartete sie, und wollte nicht hinaufgehen, endlich aber, weil die ganze Stadt sonst wäre verloren gewesen, musste sie den schweren Gang tun. Der König und die Hofleute kehrten voll großer Trauer heim, des Königs Marschall aber sollte stehen bleiben und aus der Ferne alles mit ansehen.

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Als die Königstochter oben auf den Berg kam, stand da nicht der Drache, sondern der junge Jäger, der sprach ihr Trost ein und sagte, er wollte sie retten, führte sie in die Kirche und verschloss sie darin. Gar nicht lange, so kam mit großem Gebraus der siebenköpfige Drache daher gefahren.

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Beitrag von Fredeswind » Mittwoch 10. Juli 2024, 18:34

Als er den Jäger erblickte, verwunderte er sich und sprach: „Was hast du hier auf dem Berge zu schaffen?“ Der Jäger antwortete: „Ich will mit dir kämpfen.“ Sprach der Drache: „So mancher Rittersmann hat hier sein Leben gelassen, mit dir will ich auch fertig werden“, und atmete Feuer aus sieben Rachen. Das Feuer sollte das trockene Gras anzünden, und der Jäger sollte in der Glut und dem Dampf ersticken, aber die Tiere kamen herbeigelaufen und traten das Feuer aus.

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Da fuhr der Drache gegen den Jäger, aber er schwang sein Schwert, dass es in der Luft sang, und schlug ihm drei Köpfe ab. Da ward der Drache erst recht wütend, erhob sich in die Luft, spie die Feuerflammen über den Jäger aus und wollte sich auf ihn stürzen, aber der Jäger zückte nochmals sein Schwert und hieb ihm wieder drei Köpfe ab. Das Untier ward matt und sank nieder, und wollte doch wieder auf den Jäger los, aber er schlug ihm mit der letzten Kraft den Schweif ab, und weil er nicht mehr kämpfen konnte, rief er seine Tiere herbei, die zerrissen es in Stücke.

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Als der Kampf zu Ende war, schloss der Jäger die Kirche auf, und fand die Königstochter auf der Erde liegen, weil ihr die Sinne vor Angst und Schrecken während des Streites vergangen waren. Er trug sie heraus.

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Beitrag von Fredeswind » Donnerstag 11. Juli 2024, 10:48

Als sie wieder zu sich selbst kam und, die Augen aufschlug, zeigte er ihr den zerrissenen Drachen und sagte ihr, dass sie nun erlöst wäre. Sie freute sich und sprach: „Nun wirst du mein liebster Gemahl werden, denn mein Vater hat mich demjenigen versprochen, der den Drachen tötet.“ Darauf hing sie ihr Halsband von Korallen ab und verteilte es unter die Tiere, um sie zu belohnen, und der Löwe erhielt das goldene Schlösschen davon. Ihr Taschentuch aber, in dem ihr Name stand, schenkte sie dem Jäger, der ging hin und schnitt aus den sieben Drachenköpfen die Zungen aus, wickelte sie in das Tuch und verwahrte sie wohl.

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Als das geschehen war, weil er von dem Feuer und dem Kampf so matt und müde war, sprach er zur Jungfrau: „Wir sind beide so matt und müde, wir wollen ein wenig schlafen.“ Da sagte sie ja, und sie ließen sich auf die Erde nieder, und der Jäger sprach zu dem Löwen: „Du sollst wachen, damit uns niemand im Schlaf überfällt.“, und beide schliefen ein.

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Der Löwe legte sich neben sie, um zu wachen, aber er war vom Kampf auch müde, dass er den Bären rief und sprach: „Lege dich neben mich, ich muss ein wenig schlafen, und wenn was kommt, so wecke mich auf.“ Da legte sich der Bär neben ihn.

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Aber er war auch müde und rief den Wolf und sprach: „Lege dich neben mich, ich muss ein wenig schlafen, und wenn was kommt, so wecke mich auf.“Da legte sich der Wolf neben ihn, aber er war auch müde und rief den Fuchs und sprach: „Lege dich neben mich, ich muss ein wenig schlafen, und wenn was kommt, so wecke mich auf.“ Da legte sich der Fuchs neben ihn, aber er war auch müde, rief den Hasen und sprach: „Lege dich neben mich, ich muss ein wenig schlafen, und wenn was kommt, so wecke mich auf.“ Da setzte sich der Hase neben ihn, aber der arme Has war auch müde, und hatte niemand, den er zur Wache herbeirufen konnte, und schlief ein.

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Beitrag von Fredeswind » Freitag 12. Juli 2024, 14:11

Da schlief nun die Königstochter, der Jäger, der Löwe, der Bär, der Wolf, der Fuchs und der Hase, und schliefen alle einen festen Schlaf. Der Marschall aber, der von weitem hatte zuschauen sollen, als er den Drachen nicht mit der Jungfrau fortliegen sah und alles auf dem Berg ruhig ward, nahm sich ein Herz und stieg hinauf. Da lag der Drache zerstückt und zerrissen auf der Erde, und nicht weit davon die Königstochter und ein Jäger mit seinen Tieren, die waren alle in tiefen Schlaf versunken.

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Und weil er bös und gottlos war, so nahm er sein Schwert und hieb dem Jäger das Haupt ab, und fasste die Jungfrau auf den Arm und trug sie den Berg hinab. Da erwachte sie und erschrak. Aber der Marschall sprach: „Du bist in meinen Händen, du sollst sagen, dass ich es gewesen bin, der den Drachen getötet hat.“ „Das kann ich nicht“, antwortete sie, „denn ein Jäger mit seinen Tieren hat's getan.“ Da zog er sein Schwert und drohte sie zu töten, wo sie ihm nicht gehorchte, und zwang sie damit, dass sie es versprach.

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Darauf brachte er sie vor den König, der sich vor Freude nicht zu lassen wusste, als er sein liebes Kind wieder lebend erblickte, das er von dem Untier zerrissen glaubte. Der Marschall sprach zu ihm: „Ich habe den Drachen getötet, und die Jungfrau und das ganze Reich befreit, darum fordere ich sie zur Gemahlin, so wie es zugesagt ist.“ Der König fragte die Jungfrau: „Ist das wahr, was er spricht?“ „Ach ja“, antwortete sie, „es muss wohl wahr sein: aber ich halte mir aus, dass erst über Jahr und Tag die Hochzeit gefeiert wird“, denn sie dachte in der Zeit etwas von ihrem lieben Jäger zu hören.

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Auf dem Drachenberg aber lagen noch die Tiere neben ihrem toten Herrn und schliefen, da kam eine große Hummel und setzte sich dem Hasen auf die Nase, aber der Hase wischte sie mit der Pfote ab und schlief weiter. Die Hummel kam zum zweitenmal, aber der Hase wischte sie wieder ab und schlief fort. Da kam sie zum drittenmal und stach ihm in die Nase, dass der aufwachte
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Beitrag von Fredeswind » Freitag 12. Juli 2024, 14:18

Sobald der Hase wach war, weckte er den Fuchs, und der Fuchs den Wolf, und der Wolf den Bär, und der Bär den Löwen. Und als der Löwe aufwachte und sah, dass die Jungfrau fort war und sein Herr tot, fing er an fürchterlich zu brüllen und rief: „Wer hat das vollbracht? Bär, warum hast du mich nicht geweckt?“ Der Bär fragte den Wolf: „Warum hast du mich nicht geweckt?“

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Und der Wolf den Fuchs: „Warum hast du mich nicht geweckt?“ Und der Fuchs den Hasen: „Warum hast du mich nicht geweckt?“ Der arme Has wusste allein nichts zu antworten, und die Schuld blieb auf ihm hangen. Da wollten sie über ihn herfallen, aber er bat und sprach: „Bringt mich nicht um, ich will unsern Herrn wieder lebendig machen.

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Ich weiß einen Berg, da wächst eine Wurzel, wer die im Mund hat, der wird von aller Krankheit und allen Wunden geheilt. Aber der Berg liegt zweihundert Stunden von hier.“ Sprach der Löwe: „In vierundzwanzig Stunden musst du hin- und hergelaufen sein und die Wurzel mitbringen.“ Da sprang der Hase fort, und in vierundzwanzig Stunden war er zurück und brachte die Wurzel mit.

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Beitrag von Fredeswind » Samstag 13. Juli 2024, 15:49

Der Löwe setzte dem Jäger den Kopf wieder an, und der Hase steckte ihm die Wurzel in den Mund, alsbald fügte sich alles wieder zusammen, und das Herz schlug, und das Leben kehrte zurück. Da erwachte der Jäger und erschrak, als er die Jungfrau nicht mehr sah, und dachte: „Sie ist wohl fortgegangen, während ich schlief, um mich los zu werden.“

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Der Löwe hatte in der großen Eile seinem Herrn den Kopf verkehrt aufgesetzt, der aber merkte es nicht bei seinen traurigen Gedanken an die Königstochter: erst zu Mittag, als er etwas essen wollte, da sah er, dass ihm der Kopf nach dem Rücken zu stand, konnte es nicht begreifen und fragte die Tiere, was ihm im Schlaf widerfahren wäre.

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Da erzählte ihm der Löwe, dass sie auch alle aus Müdigkeit eingeschlafen wären, und beim Erwachen hätten sie ihn tot gefunden mit abgeschlagenem Haupte, der Hase hätte die Lebenswurzel geholt, er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten; doch wollte er seinen Fehler wieder gutmachen. Dann riss er dem Jäger den Kopf wieder ab, drehte ihn herum, und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest.

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Beitrag von Fredeswind » Samstag 13. Juli 2024, 16:00

Der Jäger aber war traurig, zog in der Welt herum und ließ seine Tiere vor den Leuten tanzen. Es trug sich zu, dass er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam, wo er die Königstochter vom Drachen erlöst hatte.

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Die Stadt war diesmal ganz mit rotem Scharlach ausgehängt. Da sprach er zum Wirt: „Was will das sagen? Vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor überzogen, was soll heute der rote Scharlach?“ Der Wirt antwortete: „Vorm Jahr sollte unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getötet, und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rotem Scharlach zur Freude ausgehängt.“

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Am andern Tag, wo die Hochzeit sein sollte, sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirt: „Glaubt Er wohl, Herr Wirt, dass ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will?“ „Ja“, sprach der Wirt, „da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dransetzen, dass das nicht wahr ist.“ Der Jäger nahm die Wette an und setzte einen Beutel mit ebenso viel Goldstücken dagegen.

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Dann rief er den Hasen und sprach: „Geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der König isst.“ Nun war das Häslein das geringste und konnte es keinem andern wieder auftragen, sondern musste sich selbst auf die Beine machen. „Ei“, dachte es, „wann ich so allein durch die Straßen springe, da werden die Metzgerhunde hinter mir drein sein.“

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Beitrag von Fredeswind » Sonntag 14. Juli 2024, 16:02

Wie es dachte, so geschah es auch, und die Hunde kamen hinter ihm drein und wollten ihm sein gutes Fell flicken. Es sprang aber, hast du nicht gesehen! und flüchtete sich in ein Schilderhaus, ohne dass es der Soldat gewahr wurde. Da kamen die Hunde und wollten es herausheben, aber der Soldat verstand keinen Spaß und schlug mit dem Kolben drein, dass sie schreiend und heulend fortliefen.

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Als der Hase merkte, dass die Luft rein war, sprang er zum Schloss hinein und gerade zur Königstochter, setzte sich unter ihren Stuhl, und kratzte sie am Fuß. Da sagte sie: „Willst du fort!“, und meinte, es wäre ihr Hund. Der Hase kratzte zum zweitenmal am Fuß, da sagte sie wieder: „Willst du fort!“, und meinte, es wäre der Hund. Aber der Hase ließ sich nicht irre machen und kratzte zum drittenmal, da guckte sie herab, und erkannte den Hasen an seinem Halsband.

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Nun nahm sie ihn auf ihren Schoß, trug ihn in ihre Kammer und sprach: „Lieber Hase, was willst du?“ Antwortete er: „Mein Herr, der den Drachen getötet hat, ist hier und schickt mich, ich soll um ein Brot bitten, wie es der König isst.“ Da war sie voll Freude, und ließ den Bäcker kommen und befahl ihm, ein Brot zu bringen, wie es der König aß.

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Sprach das Häslein: „Aber der Bäcker muss mir es auch hintragen, damit mir die Metzgerhunde nichts tun.“ Der Bäcker trug es ihm bis an die Türe der Wirtsstube, da stellte sich der Hase auf die Hinterbeine, nahm alsbald das Brot in die Vorderpfoten und brachte es seinem Herrn.

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Beitrag von Fredeswind » Sonntag 14. Juli 2024, 16:51

Da sprach der Jäger: „Sieht Er, Herr Wirt, die hundert Goldstücke sind mein.“ Der Wirt wunderte sich, aber der Jäger sagte weiter: „Ja, Herr Wirt, das Brot hätte ich, nun will ich aber auch von des Königs Braten essen!“ Der Wirt sagte: „Das möchte ich sehen“, aber wetten wollte er nicht mehr. Rief der Jäger den Fuchs und sprach: „Mein Füchslein, geh hin und hol mir Braten, wie ihn der König isst.“

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Der Rotfuchs wusste die Schliche besser, ging an den Ecken und durch die Winkel, ohne dass ihn ein Hund sah, setzte sich unter der Königstochter Stuhl, und kratzte an ihrem Fuß. Da sah sie herab und erkannte den Fuchs am Halsband, nahm ihn mit in ihre Kammer und sprach: „Lieber Fuchs, was willst du?“ Antwortete er: „Mein Herr, der den Drachen getötet hat, ist hier, und schickt mich, ich soll bitten um einen Braten, wie ihn der König isst.“

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Da ließ sie den Koch kommen, der musste einen Braten, wie ihn der König aß, anrichten und dem Fuchs bis an die Türe tragen; da nahm ihm der Fuchs die Schüssel ab, wedelte mit seinem Schwanz erst die Fliegen weg, die sich auf den Braten gesetzt hatten, und brachte ihn dann seinem Herrn. „Sieht Er, Herr Wirt“, sprach der Jäger, „Brot und Fleisch ist da, nun will ich auch Gemüse essen, wie es der König isst.“

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Da rief er den Wolf und sprach: „Lieber Wolf, geh hin und hol mir Gemüse, wie es der König isst.“ Da ging der Wolf geradezu ins Schloss, weil er sich vor niemand fürchtete, und als er in der Königstochter Zimmer kam, da zupfte er sie hinten am Kleid, dass sie sich umschauen musste. Sie erkannte ihn am Halsband, und nahm ihn mit in ihre Kammer und sprach: „Lieber Wolf, was willst du?“ Antwortete er: „Mein Herr, der den Drachen getötet hat, ist hier, ich soll bitten um ein Gemüse, wie es der König isst.“

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Beitrag von Fredeswind » Montag 15. Juli 2024, 09:42

Da ließ sie den Koch kommen, der musste ein Gemüse bereiten, wie es der König aß, und musste es dem Wolf bis vor die Türe tragen, da nahm ihm der Wolf die Schüssel ab und brachte sie seinem Herrn. „Sieht Er, Herr Wirt“, sprach der Jäger, „nun hab ich Brot, Fleisch und Gemüse, aber ich will auch Zuckerwerk essen, wie es der König isst.“

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Rief er den Bären und sprach: „Lieber Bär, du leckst doch gern etwas Süßes, geh hin und hol mir Zuckerwerk, wies der König isst.“ Da trabte der Bär nach dem Schlosse, und ging ihm jedermann aus dem Wege: als er aber zu der Wache kam, hielt sie die Flinten vor und wollte ihn nicht ins königliche Schloss lassen. Aber er hob sich in die Höhe und gab mit seinen Tatzen links und rechts ein paar Ohrfeigen, dass die ganze Wache zusammenfiel.

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Und darauf ging er geradewegs zu der Königstochter, stellte sich hinter sie und brummte ein wenig. Da schaute sie rückwärts und erkannte den Bären, und hieß ihn mitgehen in ihre Kammer und sprach: „Lieber Bär, was willst du?“ Antwortete er: „Mein Herr, der den Drachen getötet hat, ist hier, ich soll bitten um Zuckerwerk, wies der König isst.“

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Da ließ sie den Zuckerbäcker kommen, der musste Zuckerwerk backen, wies der König aß, und dem Bären vor die Türe tragen: da leckte der Bär erst die Zuckererbsen auf, die heruntergerollt waren, dann stellte er sich aufrecht, nahm die Schüssel und brachte sie seinem Herrn. „Sieht Er, Herr Wirt“, sprach der Jäger, „nun habe ich Brot, Fleisch, Gemüse und Zuckerwerk, aber ich will auch Wein trinken, wie ihn der König trinkt.“

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Beitrag von Fredeswind » Montag 15. Juli 2024, 09:59

Er rief seinen Löwen herbei und sprach: „Lieber Löwe, du trinkst dir doch gerne einen Rausch, geh und hol mir Wein, wie ihn der König trinkt.“ Da schritt der Löwe über die Straße, und die Leute liefen vor ihm, und als er an die Wache kam, wollte sie den Weg sperren, aber er brüllte nur einmal, so sprang alles fort. Nun ging der Löwe vor das königliche Zimmer und klopfte mit seinem Schweif an die Türe. Da kam die Königstochter heraus, und wäre fast über den Löwen erschrocken, aber sie erkannte ihn an dem goldenen Schloss von ihrem Halsbande.

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Sie hieß ihn mit in ihre Kammer gehen und sprach: „Lieber Löwe, was willst du?“ Antwortete er: „Mein Herr, der den Drachen getötet hat, ist hier, ich soll bitten um Wein, wie ihn der König trinkt.“ Da ließ sie den Mundschenk kommen, der sollte dem Löwen Wein geben, wie ihn der König tränke. Sprach der Löwe: „Ich will mitgehen und sehen, dass ich den rechten kriege.“

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Da ging er mit dem Mundschenken hinab, und als sie unten hinkamen, wollte ihm dieser von dem gewöhnlichen Wein zapfen, wie ihn des Königs Diener tranken, aber der Löwe sprach: „Halt! ich will den Wein erst versuchen“, zapfte sich ein halbes Maß und schluckte es auf einmal hinab. „Nein“, sagte er, „das ist nicht der rechte.“ Der Mundschenk sah ihn schief an, ging aber und wollte ihm aus einem anderen Fass geben, das für des Königs Marschall war.

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Sprach der Löwe: „Halt! erst will ich den Wein versuchen“, zapfte sich ein halbes Maß und trank es, „der ist besser, aber noch nicht der rechte.“ Da ward der Mundschenk bös und sprach: „Was so ein dummes Vieh vom Wein verstehen will!“ Aber der Löwe gab ihm einen Schlag hinter die Ohren, dass er unsanft zur Erde fiel, und als er sich wieder aufgemacht hatte, führte er den Löwen ganz stillschweigend in einen kleinen besonderen Keller, wo des Königs Wein lag, von dem sonst kein Mensch zu trinken bekam.

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Der Löwe zapfte sich erst ein halbes Maß und versuchte den Wein, dann sprach er: „Das kann von dem rechten sein“, und hieß den Mundschenken sechs Flaschen füllen. Nun stiegen sie herauf, wie der Löwe aber aus dem Keller ins Freie kam, schwankte er hin und her und war ein wenig trunken, und der Mundschenk musste ihm den Wein bis vor die Türe tragen, da nahm der Löwe den Henkelkorb in das Maul und brachte ihn seinem Herrn.

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Beitrag von Fredeswind » Mittwoch 17. Juli 2024, 17:30

Sprach der Jäger: „Sieht Er, Herr Wirt, da hab ich Brot, Fleisch, Gemüse, Zuckerwerk und Wein, wie es der König hat, nun will ich mit meinen Tieren Mahlzeit halten“, und setzte sich hin, aß und trank, und gab dem Hasen, dem Fuchs, dem Wolf, dem Bär und dem Löwen auch davon zu essen und zu trinken, und war guter Dinge, denn er sah, dass ihn die Königstochter noch lieb hatte.

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Und als er Mahlzeit gehalten hatte, sprach er: „Herr Wirt, nun hab ich gegessen und getrunken, wie der König isst und trinkt, jetzt will ich an des Königs Hof gehen und die Königstochter heiraten.“ Fragte der Wirt: „Wie soll das zugehen, da sie schon einen Bräutigam hat und heute die Vermählung gefeiert wird?“ Da zog der Jäger das Taschentuch heraus, das ihm die Königstochter auf dem Drachenberg gegeben hatte, und worin die sieben Zungen des Untiers eingewickelt waren, und sprach: „Dazu soll mir helfen, was ich da in der Hand halte.“

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Da sah der Wirt das Tuch an und sprach: „Wenn ich alles glaube, so glaube ich das nicht, und will wohl Haus und Hof dransetzen.“ Der Jäger aber nahm einen Beutel mit tausend Goldstücken, stellte ihn auf den Tisch und sagte, „das setze ich dagegen.“

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Nun sprach der König an der königlichen Tafel zu seiner Tochter: „Was haben die wilden Tiere alle gewollt, die zu dir gekommen und in mein Schloss ein- und ausgegangen sind?“ Da antwortete sie: „Ich darf es nicht sagen, aber schickt hin und lasst den Herrn dieser Tiere holen, so werdet Ihr wohltun.“

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Beitrag von Fredeswind » Mittwoch 17. Juli 2024, 17:42

Der König schickte einen Diener ins Wirtshaus und ließ den fremden Mann einladen, und der Diener kam gerade, wie der Jäger mit dem Wirt gewettet hatte. Da sprach er: „Sieht Er, Herr Wirt, da schickt der König einen Diener und lässt mich einladen, aber ich gehe so noch nicht.“ Und zu dem Diener sagte er: „Ich lasse den Herrn König bitten, dass er mir königliche Kleider schickt, einen Wagen mit sechs Pferden und Diener, die mir aufwarten.“

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Als der König die Antwort hörte, sprach er zu seiner Tochter: „Was soll ich tun?“ Sagte sie: „Lasst ihn holen, wie er es verlangt, so werdet Ihr wohltun.“ Da schickte der König königliche Kleider, einen Wagen mit sechs Pferden und Diener, die ihm aufwarten sollten. Als der Jäger sie kommen sah, sprach er: „Sieht Er, Herr Wirt, nun werde ich abgeholt, wie ich es verlangt habe.“

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Und zog die königlichen Kleider an, nahm das Tuch mit den Drachenzungen und fuhr zum König. Als ihn der König kommen sah, sprach er zu seiner Tochter: „Wie soll ich ihn empfangen?“ Antwortete sie: „Geht ihm entgegen, so werdet Ihr wohltun.“ Da ging ihm der König entgegen und führte ihn herauf, und seine Tiere folgten ihm nach.

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Der König wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der anderen Seite, als Bräutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Häupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der König sprach: „Die sieben Häupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geh ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.“

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"Ein guter Mensch ist, wer sein Kinderherz nie verliert."
(Chinesische Weisheit)




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