Fredeswinds Märchenschatztruhe
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- Fredeswind
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Es schmeckte aber dem Gaste nicht, das sah jetzt der Wirt, und sprach: „Gesell, ich vermeine es schmecket dir nicht! Du bist von daheim wohl eitel Gebratenes gewohnt?“
„Das nicht, Meister“, antwortete der Gast. „Aber ich habe schon Schweinefleisch gegessen, und dieses Fleisch in meiner Schüssel ist keins; ich habe Hammelfleisch gegessen, und dies ist keins; ich habe Rindfleisch und Kalbfleisch gegessen, und das ist keins.
Auch weiß ich, wie jede Art von Wildbret schmeckt, und das ist keins. Von irgend einem Vogel ist's auch nicht – das dünkt mich ein seltsam Essen!“ Der Wirt lachte, und antwortete: „Mein guter Wanderbursche, du wirst in deinem Leben noch gar vieles hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen, was du doch nie gehört, gesehen, gerochen, geschmeckt und gefühlt hast. In der Welt gehet es gar wunderlich her.“
Auf diese empfangene Belehrung aß der Geselle schweigend weiter, obschon es ihm nicht schmeckte, und schöpfte sich auch noch etwas Brühe heraus, da fiel ein Knöchlein aus dem Löffel, und als er das recht ansah, war es ein Finger. Da erschrak der arme Jüngling bis zum Tode, und wurde ihm sehr übel ob sotaner Mahlzeit.
„Das nicht, Meister“, antwortete der Gast. „Aber ich habe schon Schweinefleisch gegessen, und dieses Fleisch in meiner Schüssel ist keins; ich habe Hammelfleisch gegessen, und dies ist keins; ich habe Rindfleisch und Kalbfleisch gegessen, und das ist keins.
Auch weiß ich, wie jede Art von Wildbret schmeckt, und das ist keins. Von irgend einem Vogel ist's auch nicht – das dünkt mich ein seltsam Essen!“ Der Wirt lachte, und antwortete: „Mein guter Wanderbursche, du wirst in deinem Leben noch gar vieles hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen, was du doch nie gehört, gesehen, gerochen, geschmeckt und gefühlt hast. In der Welt gehet es gar wunderlich her.“
Auf diese empfangene Belehrung aß der Geselle schweigend weiter, obschon es ihm nicht schmeckte, und schöpfte sich auch noch etwas Brühe heraus, da fiel ein Knöchlein aus dem Löffel, und als er das recht ansah, war es ein Finger. Da erschrak der arme Jüngling bis zum Tode, und wurde ihm sehr übel ob sotaner Mahlzeit.
"Ein guter Mensch ist, wer sein Kinderherz nie verliert."
(Chinesische Weisheit)
15 JAHRE Fredeswinds Märchenschatztruhe 15 JAHRE
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Und gerade da ging die Türe auf, und die Wirtin trat herein, die trug einen Teller, darauf Fettbrote lagen, vielleicht ihr eigen Abendessen, und der Wirt stand auf von der Bank, und sprach leise mit seiner Frau, und da setzte der Geselle geschwinde seinen Teller und seine Fleischschüssel seinen Hunden hin, die leerten sehr rasch alles ab.
„Wünsche guten Appetit gehabt zu haben!“, sprach die Wirtin zum Wanderburschen, und dieser antwortete: „Großen Dank, Frau Wirtin, ich hatte welchen.“ – Ist mir aber vergangen, setzte er in Gedanken hinzu.
„Nun wollen wir Ihm seine Schlafkammer zeigen!“, sprach die Wirtin, und gab ihrem Mann ein Licht in die Hand. „Die Hunde kommen in den Stall.“„Ich wünsche, dass meine Hunde bei mir bleiben“, versetzte darauf der junge Metzger. „Das wird sich finden“ , erwiderte die Frau.
„Wünsche guten Appetit gehabt zu haben!“, sprach die Wirtin zum Wanderburschen, und dieser antwortete: „Großen Dank, Frau Wirtin, ich hatte welchen.“ – Ist mir aber vergangen, setzte er in Gedanken hinzu.
„Nun wollen wir Ihm seine Schlafkammer zeigen!“, sprach die Wirtin, und gab ihrem Mann ein Licht in die Hand. „Die Hunde kommen in den Stall.“„Ich wünsche, dass meine Hunde bei mir bleiben“, versetzte darauf der junge Metzger. „Das wird sich finden“ , erwiderte die Frau.
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Der Wirt öffnete jetzt ein Nebenzimmer, indem er mit dem Lichte voran ging, und hinter dem Gaste ging die Wirtin und trug immer noch die drei Fettbrote, und zeigte sie heimlich den Hunden des Fremden, und reizte so deren Verlangen nach diesen Broten.
Man trat in ein Zimmer, das war voller Waffen, Gewehre, Pistolen, Karabiner, Pallasche (Schwerter), Hirschfänger usw., daneben hingen auch Ketten, Stricke, Handschellen und solcher Dinge mehr, womit man die Leute wehrlos macht.
„Das sind ja gar viele Waffen“, sprach verwundert der Gast. „Ja, man wohnt hier im Walde so einsam“, erinnerte der Wirt: „man muss sich vorsehen; ich habe auch meine Leute, welche mit diesen Waffen gut umgehen können.“
Während dieser Worte öffnete der Wirt eine zweite Türe, und schritt durch dieselbe voran, die Wirtin aber warf eins der Fettbrote auf den Boden, Reißebeiß schnappte danach, aber indem der Hund das Brot fraß, warf die Frau die Türe in das Schloss, und Reißebeiß war in der Waffenkammer eingesperrt.
Man trat in ein Zimmer, das war voller Waffen, Gewehre, Pistolen, Karabiner, Pallasche (Schwerter), Hirschfänger usw., daneben hingen auch Ketten, Stricke, Handschellen und solcher Dinge mehr, womit man die Leute wehrlos macht.
„Das sind ja gar viele Waffen“, sprach verwundert der Gast. „Ja, man wohnt hier im Walde so einsam“, erinnerte der Wirt: „man muss sich vorsehen; ich habe auch meine Leute, welche mit diesen Waffen gut umgehen können.“
Während dieser Worte öffnete der Wirt eine zweite Türe, und schritt durch dieselbe voran, die Wirtin aber warf eins der Fettbrote auf den Boden, Reißebeiß schnappte danach, aber indem der Hund das Brot fraß, warf die Frau die Türe in das Schloss, und Reißebeiß war in der Waffenkammer eingesperrt.
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Das zweite Zimmer war herrlich ausgestattet; das eine Licht, welches der Wirt trug, reichte gar nicht aus, dessen Pracht vollständig zu beleuchten; es standen Fässer voll Geld darin, und an den Wänden waren kostbare Kleider, und in Glasschränken starrte alles von Schmuck, von Gold- und Silbergeräten und edeln Steinen.
So etwas hatte der junge Metzger noch nie gesehen, und konnte sich gar nicht genug darüber verwundern, noch sich zusammen reimen, wie das alles hierher in die einsame Waldherberge komme? Der Wirt erschloss jetzt ein drittes Gemach, und die Wirtin warf das zweite Fettbrot hin, da schnappte Sprengalleband gleich hastig danach, und wie er noch daran kaute, warf die Frau die Türe in das Schloss und Sprengalleband war in der Schatzkammer gefangen.
Der Herr der drei Hunde aber merkte nicht, dass nur noch einer von den dreien bei ihm war. Er folgte, neugierig, noch mehr Wunderbares zu sehen, dem Wirte in das dritte Gemach, aber da sah es ganz abscheulich und schauderhaft aus.
Die Wände waren mit Blut bespritzt; mitten im Zimmer stand ein Block, auf dem ein scharfes Metzgerbeil lag, man sah zerstückte Gliedmaßen von Menschen umherliegen, an der Wand hingen aufgeblasene Gedärme, um Wurst einzufüllen, auch standen Wiegemesser und kupferne Fülltrichter, für dieses Geschäft bereit – und den Gesellen schauderte.
So etwas hatte der junge Metzger noch nie gesehen, und konnte sich gar nicht genug darüber verwundern, noch sich zusammen reimen, wie das alles hierher in die einsame Waldherberge komme? Der Wirt erschloss jetzt ein drittes Gemach, und die Wirtin warf das zweite Fettbrot hin, da schnappte Sprengalleband gleich hastig danach, und wie er noch daran kaute, warf die Frau die Türe in das Schloss und Sprengalleband war in der Schatzkammer gefangen.
Der Herr der drei Hunde aber merkte nicht, dass nur noch einer von den dreien bei ihm war. Er folgte, neugierig, noch mehr Wunderbares zu sehen, dem Wirte in das dritte Gemach, aber da sah es ganz abscheulich und schauderhaft aus.
Die Wände waren mit Blut bespritzt; mitten im Zimmer stand ein Block, auf dem ein scharfes Metzgerbeil lag, man sah zerstückte Gliedmaßen von Menschen umherliegen, an der Wand hingen aufgeblasene Gedärme, um Wurst einzufüllen, auch standen Wiegemesser und kupferne Fülltrichter, für dieses Geschäft bereit – und den Gesellen schauderte.
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Der Wirt aber sprach mit harter Stimme: „Mein Bursche, hier ist die Werkstätte. Hier wirst du dein Meisterstück machen, und bei mir bleiben, wo nicht, wirst du hier selbst massakriert, dass du es weißt. Entweder du zerhackst hier, und schneidest Griefen (Grieben) und wiegst, oder du wirst selbst zerhackt, zerschnitten und zu Wurst gewiegt.“
Dem armen Gesellen ward in der Seele bange bei dieser ihm gelassenen Wahl, doch fasste er Mut und sprach: „Lieber will ich sterben, als Euer Genosse sein!“
„Wie du willst!“, sagte der Wirt. „Folge mir!“ – Und eröffnete wieder eine Türe, und jetzt warf die Frau das dritte Fettbrot hin, danach sprang hastig und hungrig der Hurtigundgeschwind, und schnapp, war die Türe im Schloss, und der gute Hund in der Blutkammer gefangen, während der Wirt mit dem Gesellen in eine düstere Halle trat.
Dem armen Gesellen ward in der Seele bange bei dieser ihm gelassenen Wahl, doch fasste er Mut und sprach: „Lieber will ich sterben, als Euer Genosse sein!“
„Wie du willst!“, sagte der Wirt. „Folge mir!“ – Und eröffnete wieder eine Türe, und jetzt warf die Frau das dritte Fettbrot hin, danach sprang hastig und hungrig der Hurtigundgeschwind, und schnapp, war die Türe im Schloss, und der gute Hund in der Blutkammer gefangen, während der Wirt mit dem Gesellen in eine düstere Halle trat.
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Und er sprach zu ihm:: „Jetzt sind wir im Schlachthaus, und jetzt schicke dich an, mein Wanderbursche, zur weiten Wanderschaft in die andere Welt.“ Der Geselle erschrak, denn er merkte wohl, dass der Wirt nicht spaße, und sah sich nach seinen drei Hunden um, die waren aber alle drei hinweg, und er war allein und hilflos.
„Willst du stehend oder liegend sterben?“, fragte der Wirt, und hob ein blinkendes, schweres Beil. Der Geselle antwortete: „Ich will stehend sterben, vergönne mir nur so viele Zeit, ein Vater unser zu beten. „Meinetwegen, so bete!“, antwortete gefühllos der schlimme Wirt.
Und der Geselle betete mit rechter Andacht, und da fiel ihm mitten im Beten das Pfeifchen ein, das die gute Alte ihm gegeben, die ihm die drei Hunde geschenkt, und gesagt hatte, er solle, wenn er in Not sei, und die Hunde nicht bei ihm wären, nur darauf pfeifen, bedachte sich daher auch keinen Augenblick, sondern pfiff, zu des Wirtes und der Wirtin großer Verwunderung.
„Heißt das gebetet, Bursche?“, schrie der Wirt voller Wut, und hob sein Mordbeil, aber ehe er den tödlichen Streich führte, hatte ihn Hurtigundgeschwind, der wie ein Blitz ins Schlachthaus fuhr, im Nacken und riss ihn nieder und Sprengalleband und Reißebeiß waren nun auch schon da, und alle drei zerrissen den Wirt in tausend Stücken.
„Willst du stehend oder liegend sterben?“, fragte der Wirt, und hob ein blinkendes, schweres Beil. Der Geselle antwortete: „Ich will stehend sterben, vergönne mir nur so viele Zeit, ein Vater unser zu beten. „Meinetwegen, so bete!“, antwortete gefühllos der schlimme Wirt.
Und der Geselle betete mit rechter Andacht, und da fiel ihm mitten im Beten das Pfeifchen ein, das die gute Alte ihm gegeben, die ihm die drei Hunde geschenkt, und gesagt hatte, er solle, wenn er in Not sei, und die Hunde nicht bei ihm wären, nur darauf pfeifen, bedachte sich daher auch keinen Augenblick, sondern pfiff, zu des Wirtes und der Wirtin großer Verwunderung.
„Heißt das gebetet, Bursche?“, schrie der Wirt voller Wut, und hob sein Mordbeil, aber ehe er den tödlichen Streich führte, hatte ihn Hurtigundgeschwind, der wie ein Blitz ins Schlachthaus fuhr, im Nacken und riss ihn nieder und Sprengalleband und Reißebeiß waren nun auch schon da, und alle drei zerrissen den Wirt in tausend Stücken.
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Die Wirtin aber schrie: „Gott Lob! Gott Lob! Nun bin ich erlöst!“ „Nein Weib!“, rief jetzt zornig der Gesell. „Deine Stunde hat auch geschlagen. Helfershelferin des Menschenmetzgers, die meine Hunde heimlich fing, auf dass ich wehrlos in eurer Gewalt sei, ihr Teufelsbraten!“
„O seid barmherzig!“, rief flehend die Wirtin. „Ich musste ja den Willen des Wüterichs tun, der mich auch einst gefangen und hier fortwährend gefangen gehalten hat. O, lasst mich leben! Ich will Euch auch eine goldene Dose schenken!“„Ich danke, ich schnupfe nicht!“, versetzte der Geselle. „Ist auch nicht notwendig“, erwiderte die Wirtin.
„Aber jeder, der aus dieser Dose schnupft, wenn Ihr den Deckel nach rechts gedreht habt, muss so lange machtlos stehen, liegen oder sitzen bleiben, bis Ihr den Deckel nach links gedreht. Lasst mich leben, guter Geselle, um Gottes und um Eurer selbst willen, denn noch seid Ihr nicht außer aller Gefahr. Ich allein kenne den Aufenthaltsort der Spießgesellen meines Mannes, einer ganzen Bande Räuber, Mörder und Menschenfresser, vor denen Ihr trotz Eurer Hunde nicht sicher wäret.
„Nun denn, ich will Euch leben lassen, Meisterin“, sprach der Jüngling, „doch hütet Euch wohl, mich hintergehen zu wollen!“ Die Wirtin dachte in der Tat nicht daran, den jungen Gesellen zu täuschen, da sie ihm wirklich ihre Befreiung dankte, sie und ihr Gesinde, das ebenfalls eine große Freude hatte, nicht mehr die entsetzliche Last zu tragen, dem Menschenschlächter untertan zu sein.
„O seid barmherzig!“, rief flehend die Wirtin. „Ich musste ja den Willen des Wüterichs tun, der mich auch einst gefangen und hier fortwährend gefangen gehalten hat. O, lasst mich leben! Ich will Euch auch eine goldene Dose schenken!“„Ich danke, ich schnupfe nicht!“, versetzte der Geselle. „Ist auch nicht notwendig“, erwiderte die Wirtin.
„Aber jeder, der aus dieser Dose schnupft, wenn Ihr den Deckel nach rechts gedreht habt, muss so lange machtlos stehen, liegen oder sitzen bleiben, bis Ihr den Deckel nach links gedreht. Lasst mich leben, guter Geselle, um Gottes und um Eurer selbst willen, denn noch seid Ihr nicht außer aller Gefahr. Ich allein kenne den Aufenthaltsort der Spießgesellen meines Mannes, einer ganzen Bande Räuber, Mörder und Menschenfresser, vor denen Ihr trotz Eurer Hunde nicht sicher wäret.
„Nun denn, ich will Euch leben lassen, Meisterin“, sprach der Jüngling, „doch hütet Euch wohl, mich hintergehen zu wollen!“ Die Wirtin dachte in der Tat nicht daran, den jungen Gesellen zu täuschen, da sie ihm wirklich ihre Befreiung dankte, sie und ihr Gesinde, das ebenfalls eine große Freude hatte, nicht mehr die entsetzliche Last zu tragen, dem Menschenschlächter untertan zu sein.
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Der Wandergeselle (Ludwig Bechstein)
Die Frau des Hauses zeigte nun ihrem Befreier den Eingang zu dem verborgenen Schlupfwinkel der Mörderbande, in welchen man durch eine Falltüre gelangte. Diese Falltüre öffnete der junge Metzger und ließ seine drei Hunde hinein, welche unwiderstehlich waren, und der ganzen Raub- und Mordgenossenschaft die Hälse abbissen, daher sie mit sehr blutigen Schnauzen wieder herauskamen.
Der Gesell zeigte sich nun als Herr und betrachtete die Waldherberge als seine Eroberung. Er gab der Dienerschaft, insonderheit der mitleidigen Magd, die ihn gewarnt, von den Schätzen, sandte einen Knecht mit reichem Gute an die alte Waldmutter, welche ihm die drei Hunde geschenkt hatte.
Ebensoviel schickte er nach Hause zu seiner eigenen Mutter, die Wirtin ließ er nehmen, was und so viel sie wollte, die Falltüre zu der Mördergrube ließ er vermauern und die Waldherberge bis auf den Grund niederbrennen. Darauf nahm er Abschied von der Frau Wirtin und zog mit seinen drei Hunden seine Straße. Eigentlich hätte er heimkehren können, denn er hatte genug an Gut und Geld, und die Metzgerei hatte er verredet auf Zeitlebens – aber er hatte seiner Mutter versprochen, drei Jahre in der Fremde zu wandern, und wollte nun auch ferner die Welt sehen, und etwas Tüchtiges lernen.
Der Gesell zeigte sich nun als Herr und betrachtete die Waldherberge als seine Eroberung. Er gab der Dienerschaft, insonderheit der mitleidigen Magd, die ihn gewarnt, von den Schätzen, sandte einen Knecht mit reichem Gute an die alte Waldmutter, welche ihm die drei Hunde geschenkt hatte.
Ebensoviel schickte er nach Hause zu seiner eigenen Mutter, die Wirtin ließ er nehmen, was und so viel sie wollte, die Falltüre zu der Mördergrube ließ er vermauern und die Waldherberge bis auf den Grund niederbrennen. Darauf nahm er Abschied von der Frau Wirtin und zog mit seinen drei Hunden seine Straße. Eigentlich hätte er heimkehren können, denn er hatte genug an Gut und Geld, und die Metzgerei hatte er verredet auf Zeitlebens – aber er hatte seiner Mutter versprochen, drei Jahre in der Fremde zu wandern, und wollte nun auch ferner die Welt sehen, und etwas Tüchtiges lernen.
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Re: Märchen
Schaurig schön dargestellt!
Mir gefällt besonders der Wechsel der Gesichtsfarbe des Burschen!
Mir gefällt besonders der Wechsel der Gesichtsfarbe des Burschen!
- Die Osebergs
- Mega-Klicky
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Re: Märchen
"Wo ist Iphigenie?"
Nein, im Ernst, Geschichten über solche Gasthäuser, in denen Wanderern von weit ausgeraubt und umgebracht wurden, gibt es ja in lokalen Sagen sehr viele und ich fürchte einige davon haben sicher auch einen wahren Kern. Gerade in der "kleinen Eiszeit", die Anfang des 15 Jh über viele Jahre die Ernten vernichtete, aß man alles was da war. Zum Teil Giftpflanzen, die zu Wahnvorstellungen führten und auch dass sie tatsächlich Menschen aßen, ist wohl nicht auszuschließen.... was die Geschichte selbst dadurch kaum weniger schaurig macht. Ich danke Dir einmal wieder, dass Du sie uns erzählst!
im Übrigen habe ich mal gelesen, dass Menschenfleisch Schweinefleisch doch recht ähnlich schmecken soll...
Nein, im Ernst, Geschichten über solche Gasthäuser, in denen Wanderern von weit ausgeraubt und umgebracht wurden, gibt es ja in lokalen Sagen sehr viele und ich fürchte einige davon haben sicher auch einen wahren Kern. Gerade in der "kleinen Eiszeit", die Anfang des 15 Jh über viele Jahre die Ernten vernichtete, aß man alles was da war. Zum Teil Giftpflanzen, die zu Wahnvorstellungen führten und auch dass sie tatsächlich Menschen aßen, ist wohl nicht auszuschließen.... was die Geschichte selbst dadurch kaum weniger schaurig macht. Ich danke Dir einmal wieder, dass Du sie uns erzählst!
im Übrigen habe ich mal gelesen, dass Menschenfleisch Schweinefleisch doch recht ähnlich schmecken soll...
Re: Märchen
... nicht nur in der kleinen Eiszeit. Ich habe gerade einen historisch rekonstuierten Roman über Fritz Haarmann gelesen: Der hat von seinen Mordopfern ja auch nachweislich die Kleider und höchstwahrscheinlich auch das Fleisch verkauft und teilweise verschenkt - und das in den 1920igern!
- Fredeswind
- die Märchenfee
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Re: Märchen
Artona hat geschrieben:Schaurig schön dargestellt!
Mir gefällt besonders der Wechsel der Gesichtsfarbe des Burschen!
Irgendwie muss man ja den Schrecken darstellen bei einem so freundlichen lächelnden Gesicht.
LG von der Märchenfee Fredeswind
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- Fredeswind
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Re: Märchen
Die Osebergs hat geschrieben:Wirklich schaurig schön.
Das Problem in dem Fall war, es sollte schon etwas gruselig werden, aber nicht zu sehr, damit sich niemand zu sehr fürchten muss. Der Text ist schon gruselig genug.
LG von der Märchenfee Fredeswind
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Re: Märchen
Ischade hat geschrieben:"Wo ist Iphigenie?"
Nein, im Ernst, Geschichten über solche Gasthäuser, in denen Wanderern von weit ausgeraubt und umgebracht wurden, gibt es ja in lokalen Sagen sehr viele und ich fürchte einige davon haben sicher auch einen wahren Kern. Gerade in der "kleinen Eiszeit", die Anfang des 15 Jh über viele Jahre die Ernten vernichtete, aß man alles was da war. Zum Teil Giftpflanzen, die zu Wahnvorstellungen führten und auch dass sie tatsächlich Menschen aßen, ist wohl nicht auszuschließen.... was die Geschichte selbst dadurch kaum weniger schaurig macht. Ich danke Dir einmal wieder, dass Du sie uns erzählst!
im Übrigen habe ich mal gelesen, dass Menschenfleisch Schweinefleisch doch recht ähnlich schmecken soll...
Artona hat geschrieben:... nicht nur in der kleinen Eiszeit. Ich habe gerade einen historisch rekonstuierten Roman über Fritz Haarmann gelesen: Der hat von seinen Mordopfern ja auch nachweislich die Kleider und höchstwahrscheinlich auch das Fleisch verkauft und teilweise verschenkt - und das in den 1920igern!
Da sieht man es mal wieder, dies Märchen ist gar nicht soweit hergeholt!
Und da soll einem nicht das große Gruseln überkommen!
Einfach nur zum Weglaufen! :muss weg
Schauerliche Grüße von der sich gruselnden Märchenfee Fredeswind
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