Die Geister von Christmastown
Morgan Scrooge war unzufrieden. Die letzten Jahre hatte sein Companion diese Reise unternommen, während er selbst das Weihnachtsgeschäft gemacht hatte. All die feinen Damen, die sich für die Feste noch ein neues Kleid kaufen wollten. Und die Herren, die für ihre Gattin einen besonders vornehmen Hut als Geschenk suchten. Zu keiner anderen Zeit verdiente er so viel Geld wie um die Weihnachtsfeiertage. Und nun war sein Companion von der letzten Reise nicht wiedergekehrt und er musste seinem Angestellten diese Aufgabe übertragen. Obwohl er doch genau wusste, dass dieser zwar tüchtig war, aber doch ein viel zu gutes Herz hatte. Er würde es fertig bringen und einen der teuren Nerze an frierende Kinder verschenken. Aber es hätte noch viel weniger Sinn gehabt, ihn auf die Reise zur Ostküste zu schicken, um die neuen Kleider fürs nächste Jahr auszuwählen.
Ja, er hatte einige schöne Modelle bestellt. Die Damenwelt im Westen würde verrückt danach sein, die neuste Mode zu tragen, wie die Damen in Paris, die nicht jeden Tag in Staub und Dreck verbrachten. Sein Händler in Atlanta hatte einfach die beste Wahre und in den nächsten Monaten würde sie geliefert werden. Jetzt aber ging es darum, noch das Letzte des diesjährigen Weihnachtsgeschäftes zu retten. Die Postkutsche fuhr nicht über die Feiertage und so blieb Morgan Scrooge nur die Option, sich ein Pferd zu kaufen und selbst zu reiten.
Der Abend dämmerte bereits und Beaver City lag noch in weiter Ferne. Ihm blieb nichts anderes übrig, als irgendwo zu übernachten. Schon seit einiger Zeit zeichneten sich die Umrisse einer Ortschaft am Horizont ab. Er hoffte nur, dass das dortige Hotel nicht zu teuer war. Aber je näher er dem Ort kam, umso unwahrscheinlicher erschien es ihm, dass es dort überhaupt ein Hotel gab. Es wirkte dunkel, verlassen, tot. Er ritt an den ersten zerfallenen Häusern vorbei. Ein leichter Windstoß rollte einen Dornbusch über die Straße. Eine Geisterstadt. Umso besser, dachte Morgan, so kostete ihn die Übernachtung gar nichts.
Vor dem ehemaligen Saloon stoppte er sein Pferd, stieg ab und führte es um das etwas zerfallene Haus herum. Dahinter fand er tatsächlich etwas, das mal ein Stall gewesen war. Mit Resten von Heu und Stroh am Boden.
Dort band er sein Pferd fest und machte sich nun daran, den verlassenen Saloon zu betreten. Die Dielen knirschten und knackten unter seinen Schritten. Die Stühle und Tische standen noch immer an ihren Plätzen. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie mitzunehmen. Was für eine Verschwendung!
Er blickte hinter den Tresen. Am Boden lagen noch ein paar zerbrochene Glasflaschen, aber nichts zu essen oder zu trinken. Einerseits lobte er den Geschäftsmann, der daran dachte, alles mitzunehmen, zum anderen fluchte er darüber dass er nun seinen eigenen Proviant verzehren musste.
Während er so dasaß, der Wind das kaputte Fenster hin und her schaukelte, wobei es leise quietschte, wirbelte es auf einmal den Staub vom Boden auf und eine Tür im oberen Stock schlug laut zu. Erschrocken drehte Morgan sich um. Aber er sah nichts. Als er sich wieder zurückdrehte, saß jemand an seinem Tisch. Entsetzt fuhr er zusammen.
„Na wer sagt’s denn? Morgan Scrooge!“ Die Stimme des Fremden klang hohl und wie von weit entfernt. Sein Gesicht konnte Morgan nicht sehen, da es im Schatten seiner Hutkrempe liegt.
„Wer bist Du?“, fragte der Kaufmann vorsichtig.
„Scott Marley, Du erinnerst Dich an mich?“ sagte der Fremde.
„Oh mein Gott!“, entfuhr es Morgan und entgegen seiner Art bekreuzigte er sich.
„Du bist doch tot“. Wie gebannt saß der da in die Lehne des Stuhls gedrückt, dass er fürchten musste, sie würde einfach nach hinten wegbrechen.
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