Liebes Tagebuch!
Unterhalb der Burg gibt es einen kleinen Parkplatz, von wo aus man nach einer knappen Stunde Fußweg die Burg erreicht.
Auf dem Weg dorthin erzählt Chris die Geschichte der Burg.
Ein Drachenhort ist der Ort, an dem ein Drache seine Schätze hütet.
Der Sage nach war dies oben auf dem Berg dieses Namens der Fall.
Im fünften Jahrhundert soll ein mutiger Ritter dann den Drachen besiegt und an dieser Stelle seine Burg errichtet haben.
Der Drache griff immer wieder die Burg an.
Um ihn zu besänftigen, opferte man ihm schließlich jährlich eine Jungfrau auf dem Burgturm.
Was aus den Jungfrauen wurde, weiß man natürlich nicht.
Irgendwann begehrte das Volk gegen diese Opfer auf und der Burgherr opferte seine eigene Tochter.
Als im Jahr danach dann keine Jungfrau zur Sonnwende auf dem Turm wartete,
zerstörte der Drache die Burg bis auf die Grundmauern.
So die Sage.
Die Burg wurde immer wieder neu aufgebaut und immer und immer wieder zerstört.
Die »Söhne des Drachen« - was ein Hinweis auf das Schicksal der Jungfrauen sein könnte,
wie er grinsend anfügt - waren im achten Jahrhundert eine gefürchtete Raubritterschar,
welche Burg Drachenhort eroberte und lange dort residierte.
Später wurden sie unter der Führung des Grafen von Ambach besiegt.
Wieder tauchte der Drache auf. Wieder wurde die Burg zerstört und neu errichtet.
Ein Magier schließlich bot Hilfe an.
Gegen fürstliche Bezahlung pflanzte er auf dem Jungfrauenturm einen Baum.
Solange dieser grüne, werde kein Drache mehr die Burg bedrohen.
So ist es bis heute.
Der Baum steht noch, ebenso der Turm.
Die Burg selbst ist aber in den folgenden Jahrhunderten noch mehrfach gefallen.
Graf Ambach allerdings wurde ob des magischen Baumes als Ketzer der Inquisition überstellt.
Seine Nachfahren gaben die Burg auf, die danach langsam verfiel.
Der Magier selbst wurde nie gefunden.
Heute ist die Burg unbewohnt.
Sie ist für einen symbolischen Betrag ans Land verpachtet.
Ein Heimatverein hat ihre Patenschaft übernommen und sie restauriert.
Sie gehört immer noch den Ambachs, aber die haben kein Interesse an dem alten Bauwerk.
Die Burg ist jetzt ein beliebtes Ausflugsziel.
Die Zugbrücke ermöglichte einst den Zugang über eine schmale Schlucht,
die heute durch Erosion weitgehend aufgefüllt ist.
Wir sind früh dran. Eben erst wird geöffnet.
Und wir sind nicht die Einzigen, die schon gewartet haben.
»Woher weißt du so viel über diese Burg?«, frage ich Chris.
»Ich war als Kind oft hier. Mein Vater erzählte diese Geschichten«, antwortet er.
Da das augenscheinlich keine guten Erinnerungen sind, frage ich nicht weiter nach.
Die Burg ist immer gut besucht.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass es hier angeblich spuken soll.
Das Flair des Unheimlichen zieht viele Besucher an.
So mancher schaut auch zum Himmel auf - womöglich ist ja der Drache zu sehen.
Doch schützend thront der Baum auf dem Turm.
Die Burg ist auch eine tolle Kulisse für Fotografen, wie wir feststellen.
Auf die Burgführung, die angeboten wird, verzichten wir.
Chris weiß mindestens ebenso viel über diesen Bau wie der Führer des Vereins.
»Was wurde eigentlich aus den Ambachs?«, will ich wissen.
»Angeblich fanden sie den Drachenschatz und erbauten damit Schloss Ambach«,
antwortet Chris. »Zumindest leben die Nachfahren des alten Grafen dort.«
Ich schaue durchs Fenster ins verschlossene Herrenhaus.
Aber wirklich feudal sieht es da drin nicht aus.
Foto mache ich trotzdem.