Özcans Weihnachtsgeschichte

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Die Osebergs
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Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Montag 1. Dezember 2014, 20:23

Diese Geschichte beginnt mit ein paar Worten aus dem Off: Nein Fin! Lass das Fin! Nein,
dass brauch ich noch! Du hast genug Katzenspielzeug!
Seufz!
Okay das kannst du haben!
Nein, nicht das!
Ach nimm was du möchtest! Nein nicht alles!
Wie war das mit Katzen und Playmo?
Ja, es ist Spielzeug.
Für Kinder!
Gut, du bist ein Katzenkind!
Darf ich jetzt mit meiner Geschichte anfangen?
Seufz!
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Montag 1. Dezember 2014, 20:28

“Marley war tot.
Daran besteht kein Zweifel.

Das Protokoll seiner Bestattung wurde vom Geistlichen, vom Kommis, vom Bestatter und vom ersten Leidtragenden unterzeichnet.
Ab del Scrooge unterzeichnete es: und Ab del Scrooges Name war in der Sultanei gut für alles, womit er sich zu befassen entschied.
Der alte Marley war tot wie ein Türnagel.
Je nun!
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Ich will damit nicht sagen, dass ich aus eigener Kenntnis weiß, was an einem Türnagel so besonders tot sein soll. Ich selbst wäre womöglich geneigt gewesen,
einen Sargnagel als toteste Stück Eisenkram im Gewerbe anzusehen. Doch im Gleichnis liegt die Weisheit unserer Ahnen, und meine ungeweihten Hände sollen
es nicht stören, sonst ist´s ums Land geschehen.
Sie werden mir daher gestatten, voller Emphase zu wiederholen, dass Marley tot wie ein Türnagel war.

Ob Ab del Scrooge wusste, dass er tat war?
Natürlich wusste er es.
Wie konnte es auch anders sein?
Ab del Scrooge und er waren Teilhaber, ich weiß nicht wie viele Jahre, gewesen.
Ab del Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Verweser, sein einziger Rechtsnachfolger,
sein einziger Universalerbe, sein einziger Freund und einziger Leittragender. Und selbst Ab del Scrooge war von dem traurigen
Ereignis nicht so schrecklich ergriffen, dass er noch am Tage der Bestattung nicht ein hervorragender Geschäftsmann war und sie
feierlich mit einem unzweifelhaften Gewinn beging.
Die Erwähnung von Marley´s Bestattung führt mich zu dem Punkt zurück, von dem ich ausgegangen bin.

Es besteht kein Zweifel, dass Marley tot war.

Das muß deutlich verstanden sein, denn andernfalls kann aus der Geschichte, die ich nun erzählen will, nichts Wunderbares werden.
Wären wir nicht vollkommen überzeugt davon, dass Hamlets Vater starb, bevor das Stück begann, so wäre daran, dass er nachts,
im Ostwind, auf seinem eigenen Schutzwall umherspazierte, nichts Bemerkenswertes als bei jedem anderen Herren mittleren Alters, der
nach Einbruch der Dunkelheit an einem windigen Ort - sagen wir beispielsweise, dem Kirchhof von St. Paul´s - eilig hinaustritt um den
schwachen Verstand seines Sohnes buchstäblich zu verblüffen.”

“Özcan schwafel hier nicht rum. Das ist doch kein Anfang für eine Weihnachtsgeschichte.”
“Doch Ayshe, warte es ab.”
“Aber du fängst mit einem Toten an.”
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“Ja und? So fängt die Geschichte eben an. ….. Auch übermalte Ab del Scrooge den Namen des alten Marley nicht.
Noch Jahre später standen die Namen über der Tür des Kamelhändlers: Ab del Scrooge & Marley sein Europäischer Teilhaber.

Die Firma war bekannt als Ab del Scrogge & Marley.

Manchmal redeten Leute, die neu im Geschäft waren, Ab del Scrooge mit Ab del Scrooge an und manchmal auch mit Marley,
doch er hörte auf beide Namen. Es war ihm gänzlich gleich.
Oh… aber er war ein alter Geizkragen, dieser Ab del Scrooge!, En drängender, zerrender, packender, scharrender, schnappender…..”

“Özcan du schweifst schon wieder ab.”
“…. ja warte…. Ich hab es gleich…. habsüchtiger alter Sünder! Hart und scharf wie ein Flintstein, aus dem noch kein Stahl kräftiges Feuer
geschlagen hatte, zurückhaltend, verschlossen und einsam wie eine Auster.”
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von playmorache » Dienstag 2. Dezember 2014, 20:00

:kreis

Jede gute Weihnachtsgeschichte fängt mit einem Toten an...

:popcorn

LG

Bert
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Dienstag 2. Dezember 2014, 21:01

Türchen 2

Die Kälte in ihm ließ seine alten Züge erstarren, kniff seine spitze Nase, ließ seine Backen schrumpfen.
Seinen Gang versteifen.
Machte seine Augen rot.
Seine schmalen Lippen blau.
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Und sprach boshaft mit seiner raspelnden Stimme.
Auf dem Kopf, den Brauen und dem kantigen Kinn lag frostiger Reif.
Stets umgab ihn seine niedrige Temperatur; an den Hundstagen kühlte er damit seine Geschäftsstube.
Äußere Wärme und Kälte hatten wenige Einfluss auf Ab del Scrooge.
Keine Wärme konnte ihn wärmen.
Kein Winterwetter ihn erkalten lassen.
Kein Wind, der wehte, war bitterer als er, kein fallender Schnee mehr auf seinen Zweck bedacht, kein Regenguss für Flehen weniger offen.
Schlechtes Wetter wusste nicht, wo es ihn fassen konnte.”
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“Du Özcan, wieso redest du jetzt über das Wetter? Wolltest du nicht eine Geschichte erzählen?”
“Geduld Ayshe, Geduld…. Stärkster Reger, Schnee, Hagel und Graupel konnten sich nur in einer Hinsicht eines Vorteils über ihn rühmen.
Sie zeigten sich häufig “freigebig”, Ab del Scrooge indes nie.
Nie hielt ihn jemand mit heiterer Miene auf der Straße an, um zu sagen: “ Meiner lieber Ab del Scrooge, wie geht es ihnen? Wann wollen sich mich einmal besuchen kommen?”
Kein Bettler bat ihn um ein Scherflein.
Kein Kind fragte nach der Uhrzeit.
Kein Mann oder Frau erkundigten sich bei Ab del Scrooge in seinem ganzen Leben nach dem Weg zu diesem oder jenem Ort.
Doch was kümmerte es Ab del Scrooge!
Genauso war es ihm ja lieb.”
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Moriana » Dienstag 2. Dezember 2014, 21:28

playmorache hat geschrieben::kreis

Jede gute Weihnachtsgeschichte fängt mit einem Toten an...

:popcorn

LG

Bert
Charles Dickens Weihnachtsgeschichte um Ebenezer Scrooge und seine 3 Weihnachtsgeister fängt so an.
bin gespannt wie Özan sie weiter erzählt. :klatsch2 :great
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Mittwoch 3. Dezember 2014, 15:37

Türchen 3


“Das ist ja ein seltsamer Mann. Kennen wir ihn persönlich?” unterbrach Ayshe die Erzählung.
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“Nein Ayshe. Hier bei uns gibt es Ab del Scrooge nicht. Doch lass mich weiter erzählen. Unsere Besucher sind garantiert neugierig wie es weiter geht.
Nun geschah es - von allen guten Tagen im Jahr ausgerechnet an Heiligabend -, dass der alte Ab del Scrooge geschäftig in seinem Kamelstall saß.
Es war kaltes, trübes, schneidendes Wetter, neblig obendrein, und er hörte auf dem Hof draußen die Leute, wie sie keuchend vorbeiliefen, sich
die Hände auf die Brust schlugen und mit den Füßen aufs Pflaster stampften um sich zu wärmen.

Die Uhren der Stadt hatten eben erst drei geschlagen, doch es war schon dunkel - den ganzen Tag war es nicht hell gewesen -,
und in den Fenstern der angrenzenden Häuser flackerten Kerzen gleich rötlichen Klecksen, auf der fühlbar braunen Luft.
Der Nebel strömte in jede Ritze, jedes Schlüsselloch, und war draußen so dicht, dass die Häuser gegenüber, obgleich der Hof vom schmalsten,
bloße Schemen waren.
Beim Anblick der düsteren Wolke, die sich da herabsenkte und alles verbarg, hätte man meinen können, dass die Natur ganz nahe war und etwas Großes gärte.
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Das Tor zu Ab del Scrooges Stall stand offen, damit er ein Auge auf seinen Knecht haben konnte, welcher im Stall die Kamele versorgte.
Ab del Scrooge hatte ein sehr kleines Feuer brennen, das Feuer des Angestellten war noch viel kleiner, so dass es aussah wie eine Kohle.
Doch er konnte es nicht auffüllen, da Ab del Scrooge den Kohlenkasten bei sich im Zimmer behielt, und so sicher, wie der Knecht mit
der Schaufel hereinkam, prophezeite der Meister, dass es nötig würde, sich zu trennen.
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Worauf der Untergebene sich zwischen die Tiere schob, damit ihre Körper ihn wärmten. Oder er versuchte sich an der Fackel zu wärmen,
worin er, da kein Mann von starker Phantasie, scheiterte.

“Frohe Weihnachten, Onkel! Gott schütze dich!” rief eine muntere Stimme. Sie gehörte Ab del Scrooges Neffen,
welcher so schnell hereinkam, dass er erst dadurch sein Nahen bemerkte.
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“Pah!” sagte Ab del Scrooge. “Humbug!”
So sehr hatte er sich vom schnellen Gang im Nebel und Frost erhitzt, dass er glühte.
Sein Gesicht war rotwangig und hübsch.
Seine Augen funkelten.
Und sein Atem dampfte.
“Weihnachten ein Humbug, Onkel!” sagte Ab del Scrooges Neffe. “Das meinst du doch gewiss nicht ernst?”
“Allerdings!” antworte Ab del Scrooge. “Frohe Weihnachten! Mit welchem Recht bist du froh? Aus welchem Grund bist du froh? Du bist doch ganz arm.”
“Na, komm” versetzte der Neffe freudig. “Mit welchem Recht bist du trübsinnig? Aus welchem Grund bist du mürrisch? Du bist doch ganz reich!”
Da Ab del Scrooge so schnell keine bessere Antwort parat hatte, sagte er erneut: “Pah” und ließ dem ein “Humbug” folgen.
“Sei nicht so verdrießlich Onkel!” sagte der Neffe.
“Was kann ich denn sonst sein?” konterte der Onkel “Wenn ich in einer solchen Narrenwelt lebe? Frohe Weihnachten! Geh mir
weg mit frohe Weihnachten! Was ist dir Weihnachten anderes als eine Zeit, in der du Rechnungen ohne Geld bezahlst, eine Zeit,
um wieder ein Jahr älter zu sein, aber keine Stunde reicher, eine Zeit, die Bücher zu saldiere, und jeden Posten aus einem runden
Dutzend Monate darin sich nur gegen dich stellt? Ginge es nach mir”, sagte der Onkel aufgebracht, “so sollte jeder "Wortzensur", der
mit “Frohe Weihnachten” auf den Lippen herumläuft, in seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenstock im Herzen begraben werden. Wahrhaftig!”
“Onkel!” flehte der Neffe.

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“Neffe!” erwiderte der Onkel streng, “begeh du Weihnachten auf deine Art, ich begeh es auf meine.”
“Begehen!” erwiderte der Neffe. “Aber du begehst doch gar nichts!”
“Dann lass es mich eben sein lassen!” sagte Ab del Scrooge. “Soll es dir viel Gutes tun! Viel Gutes hat es dir ja schon getan!”
“Es gibt freilich vieles, woraus ich Gutes gezogen, wovon ich aber nicht profitiert habe.” antwortete der Neffe. “Auch Weihnachten war darunter.
Dennoch war die Weihnachtszeit, wenn sie dann kam, für mich stets eine gute Zeit. Eine freundliche, nachsichtige, gütige, angenehme Zeit.
Die Einzige im langen Kalender des Jahres, die ich kenne, da Männer und Frauen durch ihre Herzen freimütig zu öffnen scheinen. Und daher,
Onkel, auch wenn es mir noch nie ein Krümchen Gold oder Silber in die Taschen gesteckt hat, glaube ich doch, dass sie mir Gutes getan hat und tun wird,
und ich sage: Gott segne sie!”
Der Angestellte im Stall applaudierte unwillentlich. Doch ward er sich seiner Ungehörigkeit sogleich bewusst und stocherte im Feuer, womit er den letzten
schwachen Funken auf immer löschte.
“Hör ich von dir noch einen Ton,” sagte Ab del Scrooge, “so sollst du eine Weihnachten begehen, indem du deine Stellung verlierst!”
“Sei nicht ärgerlich, Onkel. Iss morgen mit uns”
Ab del Scrooge sagte, er werde ihn besuchen - ja, das sagte er tatsächlich. Er schöpfte den Ausdruck ganz aus und sagte, er werde ihn erst in größter Not besuchen.
“Aber warum?” rief de Neffe. “Warum?”

“Warum hast du geheiratet?” konterte Ab del Scrooge.
“Weil ich mich verliebt habe.”
“Weil du dich verliebt hast!” knurrte Ab del Scrooge, als wäre es das Einzige auf der Welt, was noch lächerlicher als frohe Weihnachten ist. “Guten Tag!”
“Aber Onkel, du hast mich doch nie besucht, bevor das geschehne ist. Warum nennest du es nun als Grund, nicht zu kommen?”
“Guten Tag!” wiederholte der Onkel.
“Ich will nichts von dir, ich bitte dich um nichts, warum können wir nicht Freunde sein?”
“Guten Tag!” beharrte Ab del Scrooge.
“Es tut mir von Herzen leid, dass du so standhaft bist. Wir hatten nie einen Streit, an dem ich beteiligt war. Aber ich habe den versuch
zu Ehren von Weihnachten unternommen, und ich werde mir meine Weihnachtsstimmung bis zuletzt bewahren. Dir also frohe Weihnachten, Onkel!”

“Guten Tag!”
“Und ein gutes Neues Jahr!”
“Guten Tag!”
Nichtsdestoweniger verließ sein Neffe den Raum ohne ein zorniges Wort. Er blieb noch an der Außentür stehen, um die
Weihnachtsgrüße auch dem Knecht zu übermitteln, der, sosehr er auch fror, wärmer als Ab del Scrooge war, denn er erwiderte sie herzlich.

“Das ist auch so einer.” brummte Ab del Scrooge, der das mitgehört hatte: “ mein Knecht, fünfzehne Shilling in der Woche, eine Frau und Kinder
und redet von frohen Weihnachten. Ich geh noch ins Irrenhaus.”

Dieser Verrückte hatte, indem er Ab del Scrooges Neffen hinausgeleitete, zwei andere Personen hereingelassen. Es waren wohlbeleibte Herren,
angenehm anzusehen, und sie standen nun in Ab del Scrooges Geschäftsstube. Sie hatten Bücher und Papiere in der Hand und verbeugten sich vor ihm.
“Ab del Scrooge und Marley´s nehme ich an,” sagte einer der Herren mit Bezug auf seine Liste. “Habe ich das vergnügen, Ab del Scrooge oder Mr Marley anzusprechen?”
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“Mr Marley ist seit sieben Jahren Tot!” erwiderte Scrooge. “Er starb genau in dieser Nacht vor sieben Jahren!”

“Wir haben keine Zweifel, dass seine Großherzigkeit von seinem noch lebenden Teilhabern gut vertreten wird!” sagte der Herr und händigte sein Empfehlungsschreiben aus.

Dem war allerdings so, denn sie waren Beide verwandte Seelen gewesen. Bei dem ominösen Wort “Großherzigkeit” runzelte Ab del Scrooge die Stirn und
gab das Empfehlungsschreiben kopfschüttelnd zurück.

“Zu dieser festlichen Jahreszeit, Efendi,” sagte der Herr, wobei er eine Feder ergriff, “ist es mehr als üblich wünschenswert, dass wir eine kleine
Fürsorge für die Armen und Hilflosen treffen. Viele tausend bedürfen gewöhnlicher Erfordernisse, Hunderttausende bedürfen gewöhnlicher Annehmlichkeiten, Sir.”

“Gibt es keine Gefängnisse?” fragte Ab del Scrooge.
“Zahlreiche Gefängnisse!” sagte der Herr und legte die Feder wieder hin.
“Und die Armenhäuser der Verbände?” fragte Scrooge nachdrücklicher. “Sind diese noch in Betrieb?”
“Durchaus. Dennoch….” widersprach der Herr, “… wünschte ich, sie seien es nicht!”
“Tretmühle und Armenrecht sind also weiterhin voll in Kraft?” fragte ab del Scrooge.
“Beide sehr betriebsam, Sir.”

“Oh! Nach dem, was sie anfangs sagten, hatte ich schon Angst, etwas sei geschehen, was sie in ihrem nützlichen Tun hemmt.” sagte Ab del Scrooge. “Freut mich sehr das zu hören.”

“In dem Eindruck, das sie die Massen wohl kaum mit dem christlichen Trost von Geist und Leib versehen”, versetzte der Herr, “bestreben sich einige von uns, einen Fonds zu gründen,
um den Armen ein wenig Fleisch und Trank zu kaufen und auch etwas Wärmendes. Wir haben diese Zeit gewählt, weil es von allen anderen diejenige ist,
in der die Not herb empfunden wird und die Fülle frohlockt. Was soll ich für sie eintragen?”

“Nichts!” erwiderte Ab del Scrooge.
“Sie wünschen anonym zu bleiben?”

“Ich wünsche in Ruhe gelassen zu werden.” sagte Ab del Scrooge “Da sie mich fragen, was ich wünsche, meine Herren, ist
dies meine Antwort. Ich selbst erheitere mich an Weihnachten nicht, und ich kann es mir nicht leisten, die Faulen zu erheitern.
Ich beteilige mich an der Unterstützung der von mir erwähnten Einrichtungen. Die kosten genug und allen die es schlecht geht, die müssen dorthin!”

“Viele können nicht hin, und viele würden lieber sterben.”

“Wenn sie lieber sterben wollen, dann sollen sie es eben und damit die überschüssige Bevölkerung verringern!” sagte Ab del Scrooge
“Aber!”
“Das geht mich nichts an” konterte Ab del Scrooge einmal in Fahrt geraten. “Es genügt, dass man sein eigenes Geschäft
versteht und sich nicht in das anderer einmischt. Meines beansprucht mich ständig. Guten Tag die Herren!”
Da sie nun sahen, dass es zwecklos war, weiter in ihn zu dringen, verabschiedeten sich die Herren. Scrooge nahm seine
Arbeit mit einer größeren Meinung von sich und lustigerem Gemüt als üblich wieder auf.

Unterdessen hatten sich Nebel und Dunkelheit so stark verdichtete, dass die Menschen mit lodernden Fackeln umherliefen.
Die Kälte wurde stark und endlich kam die Zeit das Geschäft zu schließen.
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Unwillig stieg Ab del Scrooge vom Hocker und gestattete dies stillschweigend auch dem erwartungsvollen Knecht in dem Stall.
“Du wirst morgen wohl den ganzen Tag haben wollen?”
Fragte Ab del Scrooge.
“Wenn´s denn gelegen ist, Efendi!”
“Es ist ungelegen und auch nicht fair. Würde ich dafür eine halbe Krone abziehen, so würdest du dich ungerecht behandelt fühlen.”
Der Knecht lächelte schwach.
“Und dennoch fändest du nicht, dass ich ungerecht behandelt wäre, würde ich einen Tageslohn für keine Arbeit zahlen?”
Der Knecht merkte an, es sei doch nur einmal im Jahr.
“Eine klägliche Entschuldigung, um jeden fünfundzwanzigsten Dezember einem Mann in die Tasche zu greifen!” sagte Ab del Scrooge und knöpfte sich den Überzieher bis zum Kinn zu.
“Aber du musst ja wohl den ganzen Tag haben. Sei dafür am nächsten Morgen desto früher hier!”
Der Knecht versprach es und Ab del Scrooge schritt grollend hinaus. Die Geschäftsstube war rasch abgesperrt und die Tiere gut versorgt.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Donnerstag 4. Dezember 2014, 10:58

Türchen 4
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Ab del Scrooge nahm in seiner üblichen melancholischen Schenke sein melancholisches Mahl ein,
und nachdem er alle Zeitungen gelesen und sich den Rest des Abends mit seinem Abrechnungsbuch verkürzt hatte, ging er nach Hause zu Bett.

Er lebte in einer Junggesellenwohnung, die seinem verstorbenen Teilhaber gehört hatte.

Es war eine triste Reihe von Räumen in einer düsteren Gebäudemasse.
Es war ziemlich alt und trostlos. Außer Ab del Scrooge lebte niemand darin. Alle anderen Räume waren als Geschäftsräume vermietet.

Der Hof war so dunkel, dass selbst Ab del Scrooge, der jeden Stein kannte, sich lieber mit den Händen vorantastete.
Nebel und Frost hingen so schwer um den alten, schwarzen Torweg des Hauses, dass es schien, als säße der Wettergeist in kummervoller Betrachtung auf der Schwelle.
0015.jpg

Nun ist es so, dass der Klopfer an der Tür nichts Besonderes aufwies. Nur das er groß war.
Auch ist es so, dass Ab del Scrooge ihn während seiner gesamten Wohnzeit dort gesehen hatte.
Abends!
Morgens!
Auch besaß Ab del Scrooge so wenig Phantasie wie keiner in dieser Stadt.
Und dann soll mir mal einer erklären, so er es kann, wie es geschah, dass Ab del Scrooge,
der Schlüssel steckte schon im Türschloss, in dem Klopfer, ohne das dieser einen unmittelbaren
Verwandlungsprozess durchlaufen hätte… keine Klopfer, sondern Marleys Gesicht sah.
0016.jpg

Marleys Gesicht!
Es lag nicht in undurchdringlichem Schatten wie die anderen Gegenstände in dem Hof,
sondern verströmte ein trübes Licht. Es war nicht zornig oder grimmig, sondern schaute
Ab del Scrooge an, wie Marley immer schaute.
Das Haar war eigentümlich aufgewühlt, wie vom Atem oder heißer Luft, und die Augen waren, obgleich weit geöffnet, vollkommen regungslos."

"Du sag mal Özcan.... wieso hat Marley lange spitze Zähne?" Ayshe war da etwas aufgefallen.
"Vieleicht will er ein bischen beißen!"
"Ist das eine Vampirgeschichte?"
"Nein!"
"Wieso der Vampir?"
"Ayshe, du bist manchmal seehr neugierig!"
0014.jpg
"Ja und... was ist mit dem Vampir?"
"Er war der Einzige der seinen Kopf für das Bild hergeben wollte."
"Och das ist ja eine banale Antwort!"
"So war es und nun erzähle ich weiter... Das und die fahle Gesichtsfarbe machten das Gesicht grausig, doch das Grauen schien
ihm entgegen und außerhalb seines Einflusses zu bestehen und nicht teil seines Ausdruckes zu sein.
Noch während Scrooge dieses Phänomen starr fixierte, wurde er wieder zum Klopfer.

Zu behaupten, dass er nicht erschrocken oder dass sein Blut keiner furchtbaren Empfindung gewahr wurde,
was ihm seit seiner Kindheit fremd gewesen, entspräche nicht der Wahrheit.
Dennoch legte er die Hand auf den Schlüssel, den er losgelassen hatte, drehte ihn mutig, ging hinein und entzündete eine Kerze.
Allerdings hielt er einen Augenblick der Unentschlossenheit lang inne, bevor er die Tür schloss.

Blickte neugierig dahinter, als erwartete er vom Marley erschreckt zu werden. Doch auf der Rückseite der Tür war nichts.
Also sagte er: “Puh, puh!” und schloss die Tür mit einem lauten Knall.

Das Geräusch hallte durch das Haus wie Donner. Jeder Raum über ihm und jedes Fass im Keller des Weinhändlers
darunter schien sein eigenes Echo zurückzuwerfen. Ab del Scrooge war niemand, der sich vor Echos fürchtete.
Er verriegelte die Tür und schritt durch den Flur und die Treppe hinauf.
0017.jpg
Dies tat er langsam..
Seine Kerze beleuchtete die Treppe nur wenig. So umhülle ihn Dunkelheit. Doch Ab del Scrooge scherte sich nicht darum.
Dunkelheit ist billig und das gefiel ihm.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Freitag 5. Dezember 2014, 21:21

Türchen 5

"Heute Ayshe wird es gruselig! Du darfst dich gern bei mir ankuscheln!"
"Özcan, vor allen Leuten?"
0024.jpg
"Aber du könntest... wenn du wolltest. Ich erzähl dann mal weiter.... bevor er seine Tür schloss, lief er durch alle Zimmer um nachzusehen ob alles in Ordnung war.
Er erinnerte sich noch genügend an das Gesicht, um das tun zu wollen.
Wohnzimmer, Schlafzimmer, Rumpelkammer.
Alles wie es sein sollte.
Niemand unter dem Tisch.
0018.jpg
Niemand unter dem Sofa.
Im Kamin brannte ein kleines Feuer.
0019.jpg
Niemand unter dem Bett.
Niemand in der Kammer.
Niemand in seinem Morgenmantel, welcher in einer verdächtigen Haltung an der Wand hing.
Die Rumpelkammer war wie gewohnt.

Gänzlich befriedigt schloss er die Tür und sperrte sich ein.
Sperrte sich doppelt ein. Was nicht seine Gewohnheit war.
Derart vor Überraschungen geschützt, setzte er sich an das Feuer. Es war ein sehr niedriges Feuer. Nichts für eine derart bittere Nacht.
0020.jpg
Er sah sich genötigt, ganz dicht davor zu sitzen. Der Kamin war alt, vor langer Zeit von einem holländischen Kaufmann gebaut.

Er war aus edlem Material mit Verzierungen. Mittendrin prangte das Abbild von Marleys Kopf.
“Humbug!” sagte Ab del Scrooge und lief durch das Zimmer.
0021.jpg
Nach etlichen Runden setzte er sich wieder. Als er auf dem Stuhl den Kopf zurückwarf, fiel sein Blick auf eine Glocke.
Vor langer Zeit diente sich dazu Dienstboten herbeizurufen.
Mit höchstem Erstaunen und einer seltsamen, unerklärlichen Furch sah er, wie die Glocke zu schwingen begann.
Sie schwang anfangs so sachte, dass sie kaum ein Geräusch machte, doch bald läutete sie laut.
Es läutete eine halbe oder auch ganze Minute. Es erschien Ab del Scrooce wie eine Stunde.
Die Glocke verstummte , wie sie begonnen hatte.

Ihr folgte ein rasselndes Geräusch tief unten, als schleife jemand eine schwere Kette über die Fässer im Keller des Weinhändlers.
Da erinnerte sich Scrooge, das Gespenster in Spukhäusern als Ketten schleifend beschrieben werden.

Die Kellertür flog mit einem Knall auf.
Das Getöse klang nun viel lauter. Dann kam es die Treppe hoch.
“Dennoch Humbug!” sagte Ab del Scrooge. “Ich will es nicht glauben!”
Gleichwohl wechselte er die Gesichtsfarbe, als der Erzeuger des Lärms durch die Tür drang und vor seinen Augen in das Zimmer glitt.
Dasselbe Gesicht: genau dasselbe.
0026.jpg
Marley mit seinem Zopf, mit Weste, Hose und Stiefel wie üblich. Die Kette, die er nach sich zog, war um die Hüfte herum befestigt.
Sie war lang und wand sich um ihn wie ein Schwanz und sie bestand aus Geldkästen, Vorhängeschlössern, Hauptbüchern,
Dokumenten und schweren, eisenbeschlagenen Geldbörsen. Sein Leib war durchsichtig, so dass Scrooge das Zimmer dahinter sehen konnte.
Ab del Scrooge hatte oft gehört, Marley habe kein Herz, jetzt erst glaubte er es.

Nein, nicht einmal jetzt glaubte er es. Obwohl er durch das Phantom hindurch schauen konnte und es vor sich sah,
glaubte er nicht. Obwohl er den schauerlichen Einfluss der todeskalten Augen spürte, glaubte er nicht. Er sträubte sich gegen seine Sinne.
“Was denn nun!” sagte Ab del Scrooge, sarkastisch und kalt wie er und je. “Was willst du bei mir?”
“Viel!” Marleys Stimme. Da bestand kein Zweifel.
“Wer bist du?”
“Frag mich, wer ich war!”
“Gut, wer warst du?” fragte Ab del Scrooge und hob die Stimme. “Du bist aber genau!” Eigentlich hatte er noch, für einen Geist, sagen wollen, fand das aber unpassend.
“Im Leben war ich dein Teilhaber, Jacob Marley.”
“Kannst du dich setzen?” fragte Ab del Scrooge und sah zweifelnd aus.
“Durchaus!”
“Dann setz dich!”
Er stellte die Frage, weil er nicht wusste ob ein Gespenst auf einem Stuhl Platz nehmen konnte.
Doch das Gespenst setzte sich ihm gegenüber an den Kamin, als wäre es das gewohnt.
0025.jpg
“Du glaubst nicht an mich?” bemerkte das Gespenst.
“Nein!”
“Welchen Nachweis für meine Wirklichkeit über den deiner Sinne hinaus, könntest du gelten lassen?”
“Das weiß ich nicht!”
“Warum zweifelst du an deinen Sinnen?”
“Weil”, sagte Ab del Scrooge, “ eine Kleinigkeit sie befällt.
Eine leichte Magenverstimmung macht sie zu Schwindlern. Du könntest ein unverdautes Stück Rindfleisch,
ein Klecks Senf oder ein Bröckchen Käse sein. Was du auch bist, an dir ist mehr Kotelett als Skelett!”

Ab del Scrooge pflegte nicht oft Witze zu reißen, auch war ihm im Herzen nicht zum Spaßen zumute.
In Wahrheit versuchte er schlau zu sein. Er wollte sich ablenken und das Entsetzen unterdrücke.
Die Stimme des Schemen erschreckte ihn bis ins Mark.

Dazusitzen und auch nur einen Augenblick in jene starren, glasigen Augen zu schauen erfüllte ihn mit Schaudern.
Ganz fürchterlich war auch, dass des Schemens Wesen mit einer ganz eigenen infernalischen Atmosphäre umgeben war.
“Humbug, sag ich dir! Humbug!” wiederholte Ab del Scrooge eindringlich um sich selbst Mut zumachen.
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Darauf erhob der Geist einen fürchterlichen Schrei und rüttelte mit einem grässlichen und grauenhaften Lärm an seiner Kette,
dass Ab del Scrooge sich am Stuhl festklammerte, um nicht ohnmächtig herunterzufallen.
Ab del Scrooge fiel auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. “Gnade!” jammerte er. “Schreckliche Erscheinung, warum suchst du mich heim?”

“Mann weltlicher Gesinnung!” erwiderte das Gespenst “Glaubst du jetzt an mich?”
“Doch ja!” jammerte Ab del Scrooge. “Ich muss es ja. Doch warum wandeln Geister auf der Erde und warum kommst du zu mir?”

“Von jedem Mann wird verlangt…” begann das Gespenst “… das der Geist in ihm unter seine Mitmenschen hinausgeht und landauf,
landab umherreisen soll. Wenn der Geist nicht im Leben ausgeht, ist er verdammt, dies nach dem Tot zu tun. Er ist verurteilt durch
die Welt zu wandern… oh, weh mir…. Und anzusehen, woran er nicht teilhaben kann…. Aber auf Erden teilgehabt und es in Glück
verwandelt haben könnte!” Wieder stieß der Schemen einen Schrei aus. Dabei rüttelte er an der Kette und rang die schattenhaften Hände.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Samstag 6. Dezember 2014, 19:54

Türchen 6

"Es ist soweit... Ayshe... hast du genug Knabberzeug?"
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"Sag nicht es wird wieder gruselig!"
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"Es ist eine Weihnachtsgeschichte, die sind immer gruselig!"
"Özcan, es sind Kinder anwesend! Du kannst ihnen doch nicht sagen das Weihnachtsgeschichten immer so sind!"
"Doch kann ich. Und nun Ohren auf, es geht los.....

“Du bist gefesselt!” stellte Ab del Scrooge fest. “Warum?”
“Ich trage die Kette, die ich im Leben geschmiedet habe.”
Erwiderte das Gespenst. “Ich habe Glied um Glied gemacht. Elle um Elle hab ich sie gebaut. Hab sie mir aus freiem Willen
angelegt und aus freiem Willen hab ich sie getragen. Ihr Muster ist DIR fremd?”
Ab del Scrooge zitterte immer mehr.

“Oder kennst du vielleicht Gewicht und Länge der Kette die du selber trägst?” fuhr das Gespenst fort.
Vor sieben Heiligen Abenden war sie ebenso schwer und lang wie diese hier. Seither hast du daran gearbeitet sie zu verlängern.
Mittlerweile ist sie eine gewichtige Kette.”
Ab del Scrooge blickte auf den Fußboden herum in der Erwartung sich von fünfzig oder sechzig Meter Eisenketten umringt zu sehen. Doch er sah nichts.
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“Jacob!” sagte er beschwörend. “Alter Jacob Marley, erzähl mir mehr. Sprich mir Trost zu, Jakob!”
“Ich habe keinen zu spenden. Ebenezer Ab del Scrooge, und wird von anderen Dienern andersartigen Menschen übermittelt.
Auch kann ich dir nicht sagen, was sie sagen würden. Nur sehr wenig, mehr ist mir nicht gestattet. Ich kann nicht ruhen.
Kann nicht bleiben. Kann nirgendwo verweilen. Mein Geist ist nie aus dem Geschäft gegangen…… gib acht…. Im Leben ist mein Geist
nie jenseits der engen Grenzen unseres Geldverdienenden Kabuffs geschweift…. Und mühselige Reisen liegen vor mir!”
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“Du musst sehr langsam dabei gewesen sein, Jacob!” bemerkte Ab del Scrooge geschäftsmäßig, wenngleich in Demut und Ehrerbietung.
“Langsam!” wiederholte das Gespenst.
“Seit sieben Jahren tot.” sinnierte Ab del Scrooge. “Und die ganze Zeit auf Reisen!”
“Die ganze Zeit!” sagte das Gespenst. “Keine Ruhe, kein Frieden. Unablässige Folter durch Reue.”
“Du reist schnell?” fragte Ab del Scrooge.
“Auf den Schwingen des Windes!”
“Da hast du in den sieben Jahren wohl eine schöne Strecke zurückgelegt!”

Daraufhin ließ das Gespenst wieder einen Schrei ertönen und klirrte in der Totenstille der Nacht so furchtbar mit der Kette,
dass die Wache es vollkommen zu Recht wegen Ruhestörung hätte belangen können.

“Oh! Gefangen, gebunden und doppelt in Eisen!” rief das Phantom mit klagender Stimme “Nicht zu wissen, dass Jahre unablässiger
Mühen unsterblicher Wesen für diese Erde in die Ewigkeit eingehen müssen, bevor das Gute, wofür sie empfänglich, noch ganz entwickelt ist.
Nicht zu wissen, dass ein Geist, der freundlich in seiner kleinen Sphäre arbeit, was sie auch sein mag, sein sterbliches leben zu kurz für seine
unermesslichen Mittel zur Nützlichkeit finden wird. Nicht zu wissen, dass kein Raum des Bedauerns die falsch genutzte Gelegenheit des Lebens
wiedergutmachen kann! Ja, so war ich! Ach, so war ich!”

“Aber du warst immer ein guter Geschäftsmann, Jacob!” stammelte Ab del Scrooge, der dies allmählich auf sich selbst münzte.
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“Geschäft!” rief das Gespenst und rang wieder die Hände. “Die Menschheit war mein Geschäft. Das Gemeinwohl war mein Geschäft.
Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Nachsicht und Mildtätigkeit, das alles war mein Geschäft.” Während er sprach hielt er die Kette hoch, als wäre sie die Ursache
all seines Kummers und schleuderte sie hart auf den Fußboden. “Um diese Zeit des Jahres leide ich am meisten. Warum ging ich durch Mengen von Menschen
mit gesenktem Blick und hob ihn nie zu dem gesegneten Stern, der die Weisen zu einer bescheidenen Behausung führte! Gab es keine armen Häuser, zu
denen sein Licht mich hätte führen können!”

Ab del Scrooge war äußerst bestürzt, die Erscheinung so sprechen zu hören und zitterte nun heftig.” Hör mich an!” rief das Gespenst. “Meine Zeit ist fast um!”
“Ich höre dich!”
“Wie es kommt, dass ich vor dir in einer Form erscheine, die du sehen kannst, darf ich nicht sagen. Ich habe so manchen Tag unsichtbar neben dir gesessen!”
Das war keine angenehme Vorstellung. Ab del Scrooge bebte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
“Das ist kein leichter Teil meiner Buße.” fuhr das Gespenst fort. “Heute Abend bin ich hier, um dich zu warnen. Du hast die
Chance meinem Schicksal zu entrinnen. Eine Chance und die Hoffnung, die ich bewirke.”
“Du warst mir immer ein guter Freund!”
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“Du wirst von drei Geistern aufgesucht werden!” verkündete das Gespenst.
Bei den Worten entglitten Ab del Scrooge die Gesichtszüge. “Ist das die Gelegenheit und Hoffnung, die du erwähnt hast, Jacob?” fragte er mit stockender Stimme.
“Ja!”
“Ich… ich… ich glaube, dann lieber nicht!” flüsterte Ab del Scrooge.
“Ohne diesen Besuch kannst du nicht hoffen, den Weg zu meiden auf dem ich wandle. Erwarte den Ersten morgen, wenn die Glocke ein Uhr schlägt!”
“Könnte ich sie nicht alle auf einmal haben und es hinter mich bringen?”

“Erwarte den Nächsten in der zweiten Nacht zur selben Stunde. Den Dritten in der Nächsten, wenn
der letzte Schlag um zwölf aufgehört hat zu vibrieren. Erwarte nicht, mich noch einmal zu sehen. Und sieh zu, um deinetwillen, dass du dir merkst, was zwischen uns geschehen ist!”

Ab del Scrooge traute sich wieder den Blick zu heben und sah seinen übernatürlichen Besucher in aufrechter Haltung vor sich.
Die Kette trug er auf den Armen. Die Erscheinung wich rückwärts von ihm zurück. Dabei erklangen wirre Laute in der Luft.
Unzusammenhängende Geräusche der Klage und der Reue.
Unsagbar trauriges und herzzerreißendes Jammern.
Der Schemen fiel, nachdem er einen Augenblick lag zugehört hatte, in das Klagelied ein und schwebte hinaus in die dunkle Nacht.
Ab del Scrooge ging zum Fenster und schaute hinaus.
Die Luft war voller Phantome, die in ruheloser Hast und unter Stöhnen umherstreiften. Jedes Trug eine Kette wie Marleys Gespenst.
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Einige Wenige waren aneinandergekettet.
Keines war frei.
Viele waren in ihrem Leben Ab del Scrooge persönlich bekannt gewesen.

Ob diese Wesen in den Nebel schwanden oder der Nebel sie umfing, vermochte er nicht zu sagen.
Aber sie und ihre Geisterstimmen schwanden zusammen.

Dann war die Nacht wieder ruhig.
Bewegungslos stand Scrooge einige Augenblicke da und ging dann zu der Tür, durch die das Gespenst hereingekommen war.
Sie war doppelt verriegelt.
Keiner der Riegle war beschädigt.
Er wollte schon “Humbug” sagen, brach aber bei der ersten Silbe ab.
Und da er von den Gefühlen, denen er gerade ausgesetzt gewesen war, von der Mühsal des Tages, von seinem Blick in
die unsichtbare Welt oder von der trübseligen Unterhaltung mit dem Gespenst oder der späten Stunde stark an Ruhe bedurfte,
legte er sich rasch ins Bett, ohne sich seiner Kleider zu entledigen, und schlief auf der Stelle ein.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Sonntag 7. Dezember 2014, 20:41

Türchen 7


Das Erste der drei Geister!
Als Scrooge erwachte, war es dunkel.
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Er mühte sich, die Finsternis mit seinen Frettchenaugen zu durchdringen.
In der Ferne ertönte das Geläut einer Glocke.
Sie schlug vier Viertel an. Angestrengt horchte er auf die Stunde.
Zu seinem Erstaunen läutete die schwere Glocke von sechs auf sieben weiter.
Von sieben auf acht und dann stetig weiter bis zwölf.
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Dort endete sie.
Zwölf!
Als er zu Bett ging war es nach zwei gewesen.
Die Uhr ging falsch.

Da musste ein Eiszapfen in das Uhrwerk geraten sein.
Zwölf!

Er drückte auf die Feder seiner Repetieruhr, um diese höchst widersinnige Uhr zu korrigieren.
Ihr schneller kleiner Puls schlug zwölf und hörte auf.
“Das ist doch unmöglich! Ich habe keinen ganzen Tag und bis tief in die nächste Nacht durchgeschlafen!”
Diese Vorstellung bestürzte ihn. Hastig stand er auf und tastete sich zum Fenster hin.
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Er muße den Frost mit den Ärmeln wegreiben, bevor er etwas sehen konnte.
Es war immer noch nebelig und äußerst kalt.
Es gab keine Geräusche von Leuten. Der Lärm des Tages, wie es war wenn die Nacht dem Tag gewichen wäre.
Scrooge begab sich wieder in das bett und grübelte und grübelte.

Und grübelte.
Und grübelte nach und nach und nach!

Aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.
Je mehr er grübelte, desto verwirrter wurde er.
Und je mehr er sich abmühte nicht zu grübeln, desto mehr grübelte er.
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Marleys Gespenst quälte ihn über die Maßen. Jedes Mal, wenn er nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kam, dass alles ein Traum gewesen war, schnellten seine Gedanken wieder zurück.
In diesem Zustand lag Scrooge da, bis es weitere drei Viertel geläutet hatte.
Plötzlich viel ihm ein, dass das Gespenst ihm eine Besuch angekündigt hatte.
Genau wenn die Glocke ein Uhr schlug.
Er beschloss wach zu bleiben bis die Stunde um war.

Die Viertelstunde war so lang, dass er mehr als einmal überzeugt war, er müsse unbewusst eingedämmert sein und die Uhr verpasst haben.
Endlich scholl sie an sein horchendes Ohr.
“Ding, dong!”
“Ein Viertel nach!” zählte Scrooge.
"Ding dong!"
"Halb eins!"
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“Ding, dong!”
“Viertel vor!”
“Ding, dang!”
“Die volle Stunde!” sagte Scrooge triumphierend “Und sonst nichts.”
Das sagt er, bevor die Stundenglocke erklang, was sie nun mit einem tiefen, dumpfen, hohlen, melancholischen EINS tat.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Montag 8. Dezember 2014, 21:31

Türchen 8

Daraufhin flammte ein Licht im Zimmer auf. Die Vorhänge vor seinem Bett wurden zurückgezogen.

Die Vorhänge vor seinem Bett wurden, sage ich Ihnen, von einer Hand zurückgezogen und
Ab del Scrooge fand sich dem jenseitigen Besucher gegenüber.

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Es war eine sonderbare Gestalt… wie ein Kind, und doch weniger ein Kind als ein alter Mann oder Frau.
Das Haar war weiß aber das Gesicht wies keine Runzeln auf. Die Haut lag in zartester Blüte.
Die Arme waren lang und muskulös. Ebenso die Hände. Sie sahen aus als wäre ihr Griff von ungewöhnlicher Kraft.
Beine und Füße waren zart geformt.

Sie trug ein Gewand von reinem Weiß.

Ein Leuchten ging von ihm aus.

Ach nein, jetzt als Ab del Scrooge sie mit zunehmender Festigkeit betrachtete, nicht ihre sonderbarste Eigenschaft.
Die Gestalt schwankte in ihrer Deutlichkeit.
Sie war mal etwas Leuchtendes mit einem Arm.
Dann etwas Dunkles mit einem Beine oder zwanzig Beinen.
Dann ein Paar Beine ohne Kopf.
Ein Kopf ohne Leib.
Von den zergehenden Teilen in dem dichten Dämmern, wohin sie schmolzen, war keine Kontur sichtbar. Und in eben diesem Wunder war sie wiederum sie selbst.
Ganz deutlich und klar.
Die Stimme war durchdringend und duldete keinen Widerspruch.
“Jungchen, was liegst du da faul im Bett herum?”
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“Mutter?” rief eine Stimme dazwischen.
Ayshe!
“Was machst du in meiner Geschichte?”
“Deine Auswahl war zu lasch! Ich fülle diese Rolle aus! Ich bringe das Gefühl rüber!” antwortete Schwiegermons… mit einem Lächeln. “Aber unterbrich nicht, erzähl weiter… erzähl weiter…”

“Äh ja… äh…. Bist du das Gespenst, dessen Kommen mir vorausgesagt wurde?” fragte Ab del Scrooge.
“Allerdings!” Die Stimme sprach nun weich und sanft. Trotzdem voller Kraft.
“Wer und was bist du?”
“Ich bin das Gespenst vergangener Weihnacht.”
“Lange vergangen?” erkundigte sich Ab del Scrooge.
“Nein! Deiner Vergangenheit! Hörst du mir nicht zu? Ich möchte nicht alles zweimal sagen!”

Vielleicht hätte Ab del Scrooge niemanden sagen können, warum, falls ihn jemand hätte fragen können, aber er
hegte den besonderen Wunsch, das Gespenst in einen Mantel zu sehen, und er bat es, sich zu bedecken.
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“Was?” rief das Schwiegermons… Gespenst “Würdest du das Licht, das ich spende, so schnell mit weltlichen Händen löschen?
Genügt es nicht, dass du einer von denen bist, deren Leidenschaften dieses Strahlen macht?”
Ab del Scrooge bestritt ehrerbietig jede Absicht zu verletzen und stellte kühn die Frage, was es hierher geführt hatte.
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” Dein Wohlergehen!” antwortete das Gespenst.
Ab del Scrooge erklärte sich sehr verbunden, konnte aber nicht umhin zu glauben, dass eine Nacht ungestörter Ruhe diesen Vorsatz dienlicher gewesen wäre.
Das Gespenst las seine Gedanken, denn es sagte: “Dann deine Besserung. Sieh dich vor!” Während es sprach,
streckte es eine Hand aus und berührte ihn sacht am Arm. “Los du fauler Sack, hoch mit dir!”

“Fauler Sack Özcan?” tadelte Ayshe. “Das ist eine Weihnachtsgeschichte!”
“Jaja und ich erzähle sie.”
“Seufz! Was sollen unsere Gäste denken?”
“Das Ab del Scrooge den Hintern hochkriegen muß und deine Mutter mitspielt!”
“Okay! Dann weiter!”

Ab del Scrooges Einwände, das Wetter und die späte Stunde seien für fußgängerische Zwecke nicht geeignet,
das Bett sei warm und das Thermometer ein ganzes Stück unter dem Gefrierpunkt… er sei nur leicht bekleidet und zudem… erkältet… waren vergebens gewesen.
Die Hand des Gespenstes packte zu. Wenngleich sanft wie von einer Frauenhand, war nicht zu widerstehen.
Brav erhob er sich.
Aber als er sah das das Gespenst Richtung Fenster aufbrach, sträubte er sich.
“Ich bin ein Sterblicher und werde stürzen!” wandte Ab del Scrooge ein.
“Dulde eine Berührung meiner Hand… da… und du... sei nicht so ein Hasenfuß!” sagte Mons äh Gespenst und legte ihm die Hand aufs Herz.
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Während sie die Worte sprach, glitten sie zusammen durch die Wand und standen auf einer freien Landstraße. Zu beiden Seiten befanden sich Felder.
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Die Stadt war vollkommen verschwunden.
Mit ihr waren auch Finsternis und Nebel fort.
“Oh, hier wurde ich großgezogen. Hier lebte ich als Kind!”
Das Gespenst schaute ihn milde an. Seine sanfte Berührung erschien dem alten Mann noch immer gegenwärtig. Er nahm tausend Düfte wahr.

Ein jeder verbunden mit tausend Gedanken und Hoffnungen.
Freuden und Sorgen, die lange, lange vergessen waren.
“Deine Lippe zittert!” sagte das Gespenst und blickte ihm scharf in die Augen. “Du kennst den Weg?”
“Und ob ich ihn erkenne!” rief Ab del Scrooge “Ich könnte ihn mit verbundenen Augen gehen.”
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“Sonderbar, ihn so viele Jahre vergessen zu haben.” bemerkte das Gespenst.
Sie gingen durch die Landschaft auf eine Straße zu. Ab del Scrooge erkannte jedes Tor, jeden Pfosten und jedes Haus.

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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Montag 8. Dezember 2014, 21:33

Ein paar struppige Ponys trotteten auf sie zu. Auf ihren Rücken saßen Knaben. Sie waren allerbester Laune, lachten und sangen.
“Das sind Schatten der Dinge die gewesen sind. Sie können uns nicht sehen.”
Die ausgelassenen Reiter kamen näher. Ab del Scrooge kannte jeden einzelnen und konnte sogar ihre Namen aufzählen.
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Ach, er war erfreut sie zu sehen!
Ach, wie sein kaltes Auge funkelte und sein Herz hüpfte.
Ach, wie ihn die Freude erfüllte, als er hörte, wie sich frohe Weihnachten wünschten.
Ach was bedeutete frohe Weihnachten?
Ab del Scrooge hatte es nichts Gutes gebracht.

“Die Kinder kommen aus der Schule!” sagte das Gespenst. Aber nicht alle Kinder sind auf dem
Weg nach hause. Ein Kind, von seinen Freunden vernachlässigt, ist noch da!”

Ab del Scrooge nickte und schluchzte.
Sie verließen die Straße und kamen bald zu einem prächtigen Haus.
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Ja, es war ein großes Haus… doch es hatte ein gebrochenes Schicksal.
Die geräumigen Geschäftsräume waren wenig genutzt.
Die Wände feucht und bemoost.
Die Fenster zerbrochen und die Tore im Verfall begriffen.
In den Ställen lief Federvieh umher.

Die Schuppen und Kutschhäuser waren mit Gras überwuchert.

Auch das Haus selbst war keine Schönheit mehr. Beim Betreten der trostlosen Dielen und beim Blick durch die offenen Türen
vieler Zimmer fanden sie diese schlecht möbliert, kalt und groß. In der Luft hing ein erdiges Aroma.
Überall herrschte frostige Kahlheit, welche sich in der Erinnerung mit viel Aufstehen bei Kerzenschein und nicht viel zu essen verband.
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Mittwoch 10. Dezember 2014, 17:00

Türchen 9

Beide gingen durch die Diele zu einer Tür am Ende des Hauses. Sie öffnete sich und gab den Blick auf einen langen,
kahlen, melancholischen Raum frei. Durch die Reihen einfacher Kiefernbänke und -pulte wurde der Raum noch kahler.
An einem Pult saß ein einsamer Junge bei einem dürftigen Feuer.
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Ab del Scrooge setzte sich auf eine Bank und weinte darüber, sein armes, vergessenes Ich zu sehen, wie es einmal war.”

“Schnief! Das ist traurig Özcan! Der arme Mann! Schnief!” Ayshe schnäuzte laut in ihr Taschentuch. Nahm einen Schluck von ihrem Tee und schnäuzte noch einmal.
“Geht es wieder?” fragte Özcan geduldig. Seine Frau war so mitfühlend.
“Jaja erzähl weiter!”

“Kein verborgenes Echo im Haus. Kein Quieken und scharren von Mäusen hinter den Paneelen.
Kein tropfen Wasser aus dem halb getautem Wasserhahn in dem kleinen Garten dahinter. Kein Knacken im Feuer,
das nicht lindernd auf Ab del Scrooges Herz fiel und seinen Tränen freieren Lauf gab.

Der Geist fasste ihn am Arm und zeigte auf sein jüngeres Ich, das in seine Lektüre vertieft war.
Mit einem Mal stand da ein Mann. Wunderbar real und deutlich zu sehen, stand er vor dem Fenster. Am Zaumzeug führte er
einen Esel, der mit Holz beladen war.
“Das ist doch Ali Baba!” rief Ab del Scrooge in heller Erregung. “Einmal an Weihnachten, als jenes einsame Kind dort ganz
allein saß, da kam er tatsächlich. Einfach so. Der arme Junge! Und Valentine und sein wilder Bruder Orson… da sind sie.
Und wie hieß er noch… den sie in Unterhosen, schlafend, vor dem Tor von Damaskus absetzten, siehst du ihn denn nicht! U
nd der Knecht des Sultans… ein Dschinn hat ihn herumgedreht… ja es geschieht ihm recht… was mußte er auch die Prinzessin heiraten.”

Ab del Scrooge war ganz aufgeregt und konnte keinen zusammenhängenden Satz sprechen.
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Mit anzuhören die Ab del Scrooge den ganzen Ernst seines Wesens auf solche Themen verwandte und dies mit einer höchst
außergewöhnlichen Stimme zwischen Lachen und Weinen, und sein erregtes Gesicht zu sehen, das wäre für seine Geschäftsfreunde
in der Stadt wahrhaft überraschend gewesen.
Dann sagte er mit einem Übergang, der seinem üblichen Wesen sehr fremd war, voller Mitleid mit seinem früheren Ich “Armer Junge!” und weinte erneut.
“Ich wünschte….” murmelte Ab del Scrooge “… aber jetzt ist es zu spät!”
“Was gibt es?” fragte der Geist.
“Nichts. Gestern Abend war vor meiner Tür ein Junge, der sang ein Weihnachtslied. Dem hätte ich gerne etwas gegeben… weiter nichts!”
Das Gespenst lächelte nachdenklich und schwenkte den Schirm in ihrer Hand, wobei es sagte: “Schauen wir uns noch ein anderes Weihnachten an!”
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Mittwoch 10. Dezember 2014, 17:08

Türchen 10

Ab del Scrooges früheres Ich wurde bei diesen Worten größer und der Raum ein wenig dunkler und schmutziger.
Die Paneele schrumpften, die Fenster knarrten, Putzbrocken fielen von der Decke, stattdessen waren die nackten Latten zu sehen.
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Sein jüngeres Ich las jetzt nicht.
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Er lief verzweifelt auf und ab.
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Ab del Scrooge schaute das Gespenst an und dann, den Kopf bekümmert schüttelnd, ängstlich zur Tür.

Sie ging auf, und ein kleines Mädchen, viel jünger als der Junge, kam herein gesaust.
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Ohne Zögern schloß sie ihn in die Arme und sagte: “Lieber Bruder, ich bin hier um dich nach Hause zu holen!”
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“Nach Hause?” antwortete der Junge.
“Ja, nach hause! Ganz und endgültig! Vater ist freundlicher, als er es war. Abends, als ich zu Bett ging, hab ich ihn
gefragt ob du heimkommen kannst und er hat ja gesagt. Er hat mich in einer Kutsche hergeschickt dich zu holen.
Und du sollst ein Mann werde!” sagte das Kind mit strahlenden Augen. “Und wir feiern Weihnachten zusammen und fröhlich sein, wie nirgendwo anders auf der Welt!”

Sie klatschte lachend in die Hände und versuchte ihn am Kopf zu fassen. Aber da sie zu klein war, stellte sie sich auf die Zehenspitzen um ihn zu erreichen.
Dann zog sie ihn in ihrem kindlichen Eifer zur Tür.

In der Diele schrie eine fürchterliche Stimme: “Bringt die Kiste des jungen Ab del Scrooge her!” Es erschien der Lehrer selbst.
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Er funkelte den Jungen in wilder Herablassung an. Dann brachte er ihn und seine Schwester
in das ärgste feuchte Loch von einer frösteligen Stube, die er je gesehen hatte.
Dort zog er eine Karaffe mit eigentümlich hellem Wein hervor sowie einen Brocken schweren Kuchen und verteilte
etwas davon an die jungen Leute. Gleichzeitig schickte er seinen mageren Diener aus um dem Postburschen ein Glas “irgendwas” anzubieten.
Nachdem Ab del Scrooges Koffer auf das Kutschdach geschnallt war, verabschiedeten sich die Kinder vom Lehrer und fuhren von dannen.
“Stets ein zartes Wesen, das schon ein hauch hätte verdorren können!” sagte das Gespenst. “Aber sie hatte ein großes Herz!”
“Das hatte sie!” rief Ab del Scrooge.
“Sie ist als Frau gestorben und hatte, wie ich glaube Kinder!” sagte das Gespenst.
“Ein Kind!”
“Das stimmt. Deinen Neffen!” lachte der Geist.
Ab del Scrooge wurde unruhig. “Ja!”
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Re: Özcans Weihnachtsgeschichte

Beitrag von Die Osebergs » Mittwoch 10. Dezember 2014, 17:18

Das Gespenst schwieg.

Nun befanden sie sich auf einer belebten Hauptstraße einer Stadt.
Schattenhafte Passanten kamen und gingen. Schattenhafte Karren und Kutschen stritten um den Weg und aller Tumult und Zwist einer Stadt umgab sie.

Die Ausstattung der Geschäfte machte deutlich, dass es auch hier wieder Weihnachten war.
Es war Abend und die Straßen waren erleuchtet.
Das Gespenst hielt vor einer Speichertür und fragte Ab del Scrooge ob er sie kannte.
“Kennen? Hier war ich Lehrling!”

Sie gingen hinein.

Beim Anblick eines alten Herren mit Turban, der hinter einem hohen Pult saß, rief Ab del Scrooge in heller Erregung aus: “ Das ist der alte Abdul! Du Gütiger. Abdul, er lebt wieder!”
Der alte Abdul legte die Feder beiseite und schaute zur Uhr hinauf, welche die siebte Stunde anzeigte.
Rieb sich die Hände, lachte und rief mit behäbiger, öliger, joviale Stimme: “He das! Ebenezer! Dick!”

Ab del Scrooges jüngeres Ich, nun zum jungen Mann herangewachsen, kam flink herein. Begleitet wurde er von dem zweiten Lehrling.
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“Dick Wilkins, ja sicher!” sagte Ab del Scrooge zu dem Gespenst. “Das ist er. Er war mir sehr ergeben. Dick! Der arme Dick!”
“Ja, meine Jungs!” freute sich Abdul. “Heute Abend gibt es keine Arbeit mehr. Weihnachtsabend! Wir schließen den laden!”
Lachte er und klatschte dabei laut in die Hände. “Schließt die Läden.
Die Burschen jagten hinaus und verriegelten und verhaken die Läden. Dann standen sie keuchend wieder vor Abdul.
“Heißa!” rief der alte Abdul. “Räumt alles weg! Wir brauchen viel Platz!”
Wegräumen!
Wie der Wirbelwind schoben und schleppten sie. Der Fußboden wurde gefegt, die Lampen geputzt und gefüllt,
ein ordentliches Feuer im Kamin entzündet und alles strahlte wie ein Ballsaal.
Dann öffnete sich die Tür und Musiker kamen herein. Unter lautem Quäken stimmten sie die Instrumente.

Unter Lachen kam die Familie von Abdul. Gefolgt von allen Männern und Frauen, die im Betrieb beschäftigt waren.
Der Strom der Menschen endete nicht.
Alle kamen sie herein, einer nach dem anderen, manche schüchtern, manche keck, manche anmutig, manche verlegen….
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Alle kamen sie. Der eine so, der andere so.
Die Musiker spielten. Die Menschen tanzten.
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Mal wild, mal ruhig und mal im Kreis.
Es wurde gelacht. Gefeiert und viel gegessen und getrunken.
Das Spiel der Musikanten immer schneller und die Tänzer taten es ihnen gleich.
Als es elf Uhr schlug, ging der Hausball zu Ende. Abdul und seine Frau nahmen den Platz zu beiden

Seiten der Tür ein und schüttelten jedem einzeln die Hand, als er oder sie hinausgingen.
Dabei wünschten sie ihnen frohe Weihnachten.
Als alle bis auf die beiden Lehrlinge sich zurückgezogen hatten, verabschiedeten sie sich ebenso bei ihnen.
Während der ganzen Zeit hatte Scrooge sich wie von Sinnen aufgeführt. Er war mit Herz und Seele
beim geschehen und auch bei seinem früheren Ich. Er erinnerte sich an alles.

Genoss alles.

Und durchlebte alles ein zweites Mal.

Erst als die strahlenden Gesichter seines früheren Ichs und Dicks sich von ihnen abwandten,
entsann er sich des Gespenstes und war sich bewusst, dass es ihn direkt ansah.
“Eine Kleinigkeit, die diese törichten Leute mit Dankbarkeit erfüllte!” sagte das Gespenst mit einem Lächeln.
“Eine Kleinigkeit!” echote Ab del Scrooge.
Das Gespenst machte ein Zeichen, er solle den beiden Lehrlingen zuhören, die voll des Lobes auf Abdul waren.
“Wie! Etwa nicht? Er hat wenige Pfund ausgegeben. Vielleicht drei oder vier. Ist das so viel, dass er dieses Lob verdient?”
Darum geht es nicht!” antwortete Ab del Scrooge, von der Bemerkung erzürnt, und redete unbewusst nicht wie sein späteres,
sondern sein früheres Ich. “Darum geht es nicht Geist! Er hat die Macht uns glücklich oder unglücklich zu machen. Unseren Dienst
schwer oder leicht zu gestalten. Seine Macht liegt in Worten oder Blicken. Das Glück, das er spendete, ist ganz groß, als
kostete es ein Vermögen.” Er spürte den Blick des Geistes und hielt inne.
“Was ist denn?” fragte das Gespenst.
“Nichts besonderes!”
“Da ist doch etwas!” beharrte das Gespenst.
Ab del Scrooge druckste herum: “ Nein…. Nein… ich würde ihm nur gerne ein paar Worte sagen… weiter nichts!” Noch während
der Wunsch seinen Mund verließ, standen er und das Gespenst wieder Draußen.
“Meine Zeit läuft ab.” bemerkte das Gespenst. “Wir müssen weiter!”
Antworten