Liebes Tagebuch!
Mitternacht ist längst vorbei, als ich eine Bewegung beim Jungfrauenturm bemerke.
Ich gebe Chris und Phil ein Zeichen. Und noch ehe die Fremden dort wegkönnen,
haben wir und die knurrenden Hunde sie schon gestellt.
Ich bin sprachlos. Die beiden Leute sind extrem bleich.
Ihre Augen! Ihre Zähne! Das sind Vampire. *Schluck.*
»Was habt ihr mit meinem Bruder gemacht?«, fährt Chris sie drohend an, dem
ihr Äußeres entweder nicht auffällt oder dem es eben völlig egal ist.
»Geht fort. Noch ist Zeit dazu«, bittet die Frau.
»Schnappen wir sie«, schlägt Phil vor, der einen prachtvollen Knüppel hält.
»Wartet«, hält uns der Mann zurück. »Wir dürfen nicht mit euch sprechen. Flieht.«
»Keine Chance. Wir lassen euch nicht mehr in Ruhe«, knurrt Chris wütend.
»Dann redet mit unserem Fürsten«, gibt der Mann resigniert nach.
»Geh voraus; führe uns«, verlangt Chris in einer Tonart, als sei er völlig Herr der Lage.
Der Vampir führt uns zu Fürst Stanislaus, der gerade im Keller des Herrenhauses residiert.
Im Schatten hinter ihm sehen wir weitere Vampire;
einige ahnen wir nur wegen ihrer Bewegungen.
Clara und Peter haben auf dem Kellerdach Posten bezogen.
Werden wir hier unten angegriffen, können sie von oben zumindest
Steintrümmer schmeißen und für Verwirrung sorgen.
Der Fürst ist sehr ungehalten über diese Störung.
Und auch darüber, dass Chris sich sehr respektlos benimmt und mit
lauter Stimme Auskunft über seinen Bruder fordert.
Stanislaus droht, beim nächsten Wort mit seiner Familie, wie er sie nennt,
über uns herzufallen und uns quasi zum Frühstück zu trinken.
»Habt ihr das mit Eddy gemacht?«, fährt Chris den Fürsten an.
Der bleckt zur Antwort die Zähne. Der Anblick dieser langen,
spitzen Zähne lässt uns unwillkürlich einen Schritt zurück weichen.
»Wir sollten ruhig miteinander reden«, lenkte ich rasch ein. »Wir
sind nicht eure Feinde.«
»Nein?«, kommt höhnisch die Antwort. »Ihr seid unser Essen.«
Er kommt einen Schritt auf mich zu.
»Miau!«
Keiner hat auf Catty geachtet.
In diesem Moment springt sie, nun als Katze verkleidet, von oben auf
Stanilaus, krallt sich an ihm fest und bringt ihn sogar zu Fall.
Die anderen Vampire heulen auf. Sie kommen näher.
»Zurück!«, ruft Catty, über dem Fürsten stehend. Sie hält eine halb volle
Flasche hoch. »Noch einen Schritt weiter und euer Fürst wird unter diesem
geweihten Wasser verbrennen.«
Die anderen Vampire halten inne. Das liegt mit an Kiki, das jetzt - wie sonst
vor Löwen - die kurzen Arme hochreißt und mit lautem »Ki Ki« Drohrufe ausstößt.
Insgeheim bewundere ich die mutige Catty. Die Flasche kenne ich. Daraus
habe ich gestern noch Limo getrunken. Sie blufft mit Weihwasser. Das ist genial!
»Wir sind nicht euer Feind«, wendet sich Phil an den Liegenden. »Aber wir werden
es sein, wenn ihr uns jetzt nicht helft. Was ist mit unserem Gefährten geschehen?«
Stanislaus starrt ununterbrochen auf die Flasche und deren gefährlichen Inhalt.
Er schweigt beharrlich.