Junker Jörg hat geschrieben:
Spannend für uns finde ich die Analyse bzw. Interpretation, daß die Welt der PC-Spiele und Lizenzen auch Komplikationen mit sich gebracht hat.
jj:
Hallo JJ,
das ist doch wirklich nichts Neues. Das betrifft praktisch jedes Hobby, das auch nur annähernd sowas wie Geduld und ansatzweise handwerkliche Fähigkeiten erfordert, um sich seine Spielwelt zu erschaffen, und der Trend ist seit gut 20 Jahren da.
Stetiges Spielen ist etwas, das man lernen muß. (Spielen wird nicht umsonst als kulturelle Tätigkeit eingestuft, und wer sich vereinsmäßig organisiert ernsthaft mit altem Spielzeug beschäftigt, kann man dafür erfolgreich Ehrenamtlichkeit beantragen.)
Ich denke, viele meiner Generation können sich noch daran erinnern, wie ihre Eltern stundenlang mit ihnen am Boden gekniet haben und mit ihnen gespielt haben - mein Vater hat das gemacht, mit Lego, Fischertechnik, Eisenbahn, beim Basteln mit Papier, Schere und Kleber, also mit allem, was unter komplexeres Spielzeug fällt. (Mit Playmobil bin ich alleine zurechtgekommen.) Er hat mir so die Geduld zum stetigen Spielen beigebracht, das Verständnis für etwas komplexere Zusammenhänge und die ersten Ansätze von bastlerischem Geschick.
Und was macht dann meine Generation? Arbeitet ganztags; schiebt ihre Kinder in die Kita und in die Ganztagsschule ab; regt sich auf, wenn beim Spielen oder Basteln etwas Dreck und Unordnung im Wohnzimmer entstehen - und beschwert sich dann, wenn sich die Kinder nur noch mit dem Computer beschäftigen. Der ist nämlich ganz leicht zu bedienen: Hochfahren, DVD ins Laufwerk - keine 5 Minuten, und die komplexe Spielwelt steht.
Der Politik ist hier auch ein Vorwurf zu machen: Man kann nicht einerseits ganz oben ins Grundgesetz schreiben, daß die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist, die es zu schützen und zu fördern gilt, und dann andererseits eine Wirtschaftsordnung zulassen, in der man 2 Full-Time-Jobs in der Familie braucht, weil einer von beiden für die Kaltmiete arbeitet... Wie soll denn dann die Familie ihre Kernaufgabe erfüllen, nämlich sich um die Kinder zu kümmern?
(Anmerkung: Familie ist für mich überall da, wo sich mindestens ein(e) Erwachsene(r) liebevoll um mindestens ein Kind kümmert, unabhängig von Geschlecht, Trauschein, leiblicher Abstammung, ...)
Die Hinwendung der Jugend zu Computer, Smartphone und Tablet (die für die Eltern ja sooo praktisch war, dann ist das Kind beschäftigt und macht keine Unordnung) hat in praktisch allen Bereichen von Spielzeug und Modellbau zu deutlichen Umsatzeinbußen geführt, ganz besonders bei Modellbahn und (Fernsteuer-)Modellbau. Viele Hersteller haben darauf reagiert, indem sie sich mit ihren Produkten den erwachsenen, finanzkräftigen Sammlern zugewandt haben - und zwar in einer Preisklasse, die deutlich jenseits des Preislevels für Spielzeug liegt. Die Kinder als potentielle Kunden der Zukunft wurden vernachlässigt.
Und - oh Überraschung - nochmal 20 Jahre später merken diese Firmen, daß oben die Sammler wegsterben und unten keine mehr nachkommen, und daß der Versuch, immer weniger Sammlern immer teurere Produkte zu verkaufen, auch nicht klappt - und dann folgt die Pleite. Prominentestes Beispiel: Märklin, und ich könnte aus dem Bereich der Modellbahnen noch mindestens ein Dutzend weitere Hersteller aufzählen, die schon mindestens einmal Pleite waren.
Sich einseitig auf die erwachsene Kundschaft zu konzentrieren, ist ein verdammt zweischneidiges Schwert.
Jetzt ist halt Lego dabei, zu merken, daß sie ein Preisniveau erreicht haben, das für ihre Ware nur noch bedingt akzeptiert wird... Wenn ich auf die Preisschilder auch von kleineren Lego-Sets schaue, schlackere ich mit den Ohren.